Über unsUmweltUN-Kinderrechtskonvention

Kinderrechte und Umwelt – Unsere Kommentierung zum Entwurf des GC26

Im Juni 2021 beschloss der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, eine Allgemeine Bemerkung zu den Rechten des Kindes und der Umwelt mit besonderem Schwerpunkt auf den Klimawandel zu verfassen. Diese Nachricht haben wir als Netzwerk Kinderrechte sehr begrüßt (und auch mit Ungeduld erwartet). Obwohl Kinder und Jugendliche am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, sind sie schon jetzt am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen, ein besorgniserregender Umstand, der bei der Verwirklichung der in der Konvention beschriebenen Rechte und auch im UN-Berichterstattungsverfahren stärker berücksichtigt werden muss. Im Jahr 2016 hat der UN-Ausschuss einen Allgemeinen Diskussionstag zu dem Thema „Kinderrechte und die Umwelt“ ausgerichtet. In unserem damaligen schriftlichen Beitrag haben wir als National Coalition Deutschland dem UN-Ausschuss empfohlen:

einen General Comment zum Thema „Kinderrechte und Umwelt“ herauszugeben und damit eine Interpretationshilfe für die Verwirklichung der ökologischen Kinderrechte bereitzustellen. Ein General Comment wäre ein wichtiges Werkzeug für Regierungen und die Zivilgesellschaft. (S.6)

Ein solches Werkzeug, das die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Kinderrechte in der Umwelt- und insbesondere der Klimapolitik anleiten soll, wird nun erarbeitet.

Einladung zur Kommentierung des Entwurfs

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat bis zum 15. Februar 2023 Verbände und Organisationen, interessierte Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche dazu eingeladen, den Entwurf der Allgemeinen Bemerkung Nr. 26 zu kommentieren. Diese Gelegenheit haben wir gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) genutzt!

Am 18. Januar 2023 haben Bruna Leite, programmes and policy officer, und Jonas Schubert, advocacy coordinator, von terre des hommes Deutschland e.V. in einem Meet & Greet zum Inhalt und zum Entstehungsprozess des aktuellen Entwurfs berichtet. Bei einem Arbeitstreffen am 24. Januar mit dem Themennetzwerk Bildung und interessierten Mitgliedsorganisationen haben wir konkrete Anmerkungen und Ergänzungen zum Entwurf gesammelt. Unsere vollständige Kommentierung finden Sie hier. Nachfolgend ein kleiner Einblick:

In der gemeinsamen Kommentierung begrüßen AGJ und Netzwerk Kinderrechte ausdrücklich, dass der UN-Ausschuss noch in diesem Jahr einen General Comment und damit eine Interpretationshilfe zur UN-Kinderrechtskonvention herausgibt und damit in besonderer Weise den Aktivismus der Kinder und Jugendlichen im Klimaschutz würdigt.

Kinder haben als Akteure des Wandels einen historischen Beitrag zu Menschenrechten und Umweltschutz geleistet. Ihr Status als Menschenrechtsverteidiger sollte anerkannt werden, und ihre Forderungen nach dringenden und entschlossenen Maßnahmen zur Bewältigung der globalen Umweltschäden sollten so weit wie möglich erfüllt und umgesetzt werden. (Zitat aus dem Vorwort des Entwurfs)

Unser Feedback zum Entwurf

Klimakrise statt Klimawandel

In der Kommentierung regen wir an, in der Allgemeinen Bemerkung 26, statt von „Klimawandel“ zu sprechen, durchgängig, insbesondere auch im Titel, den Begriff „Klimakrise“ zu benutzen, da der Begriff Klimakrise die ökologische, politische und gesellschaftliche Krise im Zusammenhang mit der menschengemachten globalen Erwärmung treffender beschreibt. Der Begriff Klimawandel hingegen beschreibt Veränderungen des Klimas, die menschengemacht, aber auch natürlichen Ursprungs sein können.

Marginalisierung von bereits betroffenen Gruppen und intersektionale Betroffenheit

Die Klimakrise marginalisiert bereits benachteiligte Gruppen noch stärker. Die intersektionale Betroffenheit im Kontext der Klimakrise und auch gender-spezifische Auswirkungen müssen deutlicher formuliert werden und es sollte explizit ausgeführt werden, wie die in der Konvention benannten Rechte konkret durch den Klimawandel beeinträchtigt werden können. Thematisiert werden sollten dabei insbesondere auch die langfristigen Auswirkungen, wie z.B. die reduzierten Möglichkeiten und Kapazitäten für die Schulbildung, insbesondere für Mädchen. Denn

Mädchen und Frauen tragen die Hauptlast der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Oft sind Mädchen die letzten, die essen oder die gerettet werden. Sie sind jedoch die Ersten, die aus der Schule genommen werden und sind größeren Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt, wenn Wasser- und Abwassersysteme beeinträchtigt werden. Sie übernehmen mehr Haus- und Pflegearbeit, während die Ressourcen schwinden. (Auszug aus unserer Kommentierung)

Klimaflucht

Fluchtbewegungen als Folge der Klimakrise sind in der Allgemeinen Bemerkung bisher wenig erwähnt. Wir empfehlen dies zu ergänzen und auch die Auswirkungen auf besonders gefährdete Gruppen in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Es sind nicht nur akute Katastrophen, die zu Migration führen. Schon heute wird prognostiziert, dass der dauerhafte Zusammenbruch von Lebensräumen durch die Klimakrise zum wichtigsten Auslöser globaler Migrationsbewegungen werden wird. Bei den daraus resultierenden Migrationsbewegungen müssen auch die Rechte von besonders vulnerablen Gruppen geschützt werden.

Stärkung der Umwelterziehung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Wir setzen uns dafür ein, dass die Umwelterziehung und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Allgemeinen Bemerkung gestärkt werden. Die Agenda 2030 gilt für alle UN-Mitgliedsstaaten und formuliert die 17 Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung (Global Goals). Artikel 29 der UN-KRK schließt Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 ein.

Staaten müssen entsprechende Maßnahmen ergreifen, die Agenda 2030 bekannt zu machen und Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Schulcurriculum sowie in weiteren Bildungsplänen (Kindertagesbetreuung) und Aktivitäten zu verankern. (Auszug aus unserer Kommentierung)

Kinderrechtsbasierter Ansatzes bei Klimaschutz- und Anpassungsstrategien und -maßnahmen

Bei den Zielen sollte die Verpflichtung der Staaten zur Anwendung eines kinderrechtsbasierten Ansatzes bei Klimaschutz- und Anpassungsstrategien und -maßnahmen (einschließlich Klimafinanzierung) aufgenommen werden und klargestellt werden, was dieser Ansatz beinhaltet.

Recht auf Information und politische Beteiligung

Um wirklich einen Beitrag leisten zu können, brauchen Kinder und Jugendliche nicht nur Informationen, sie müssen auch sprechen dürfen und gehört werden. Sie sollten Zugang zu angemessenen umweltbezogenen Informationen und Bildungsangeboten haben, die auf die Achtung der natürlichen Umwelt, nachhaltiges Handeln und das verantwortungsvolle Leben in einer freien Gesellschaft ausgerichtet sind und sie müssen, so unsere Ergänzung zum Entwurf der Allgemeinen Bemerkung 26, von den Regierungen angehört und beteiligt werden, wenn Maßnahmen getroffen werden, die junge Menschen in besonderer Weise betreffen.

Warum wir ein Update für die UN-Kinderrechtskonvention brauchen?

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von den Vereinten Nationen angenommen. Das ist nun fast 34 Jahre her. Als die Konvention für die Rechte des Kindes verabschiedet wurde, hat man den Auswirkungen der Klimakrise auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht den notwendigen Stellenwert zugeschrieben. Das belegt auch die Tatsache, dass es keinen spezifischen Artikel der UN-KRK zu ökologischen Kinderrechten gibt, und deshalb verschiedene Artikel herangezogen werden müssen, um die UN-KRK in Hinblick auf das Aufwachsen in einer gesundheitsfördernden und intakten Umwelt auszulegen. Die Allgemeinen Bemerkungen interpretieren einzelne Bestimmungen der Konvention, die in vielen Fällen nicht detailliert ausformuliert wurden. Die Allgemeine Bemerkung Nr. 26 verfolgt das Ziel, die bisher sehr vagen Aussagen der Kinderrechtskonvention zum Thema Umwelt- und Klimaschutz präzisieren.

Bemerkenswert ist, dass bereits 25 Allgemeine Bemerkungen, auch Kinderrechte Kommentare genannt, in partizipativen Prozessen des UN-Ausschusses mit Interessenvertreter:innen aus unterschiedlichen regionalen, kulturellen und religiösen Zusammenhängen sowie mit Nichtregierungsorganisationen erarbeitet wurden. Das zeigt aber auch, dass es einen großen Interpretationsspielraum gibt und es erforderlich ist, konkrete Hilfestellungen für die Staaten bei der Umsetzung der in der Konvention beschriebenen Rechte bereit zu stellen. Die Allgemeine Bemerkung 26 zu “Kinderrechten und Umwelt” wird im Sommer 2023 veröffentlicht. Sie wird dazu beitragen, dass viele einzelne Aspekte bei der Verwirklichung der ökologischen Kinderrechte betrachtet werden und die Zivilgesellschaft die Regierungen gezielt auf Rechtsverletzungen hinweisen kann.

Es braucht genaue Instrumente und ein Monitoring der Staaten im Klimaschutz, wenn nicht sogar eine Weiterentwicklung der Konvention. Denn die Erfahrung zeigt auch, dass in den vielfältigen Bemühungen, Menschenrechte zu verwirklichen, die Abschließenden Bemerkungen der UN-Menschenrechtsausschüsse leider zu wenig Beachtung finden.

Der UN-Ausschuss hat sehr viele Kommentierungen zu dem ersten Entwurf der Allgemeinen Bemerkung 26 erhalten. Die sind hier abrufbar.