Kinderschutzrichtlinie
  1. Einleitung
  2. Ziel und Adressaten der Kinderschutzrichtlinie
  3. Gewalt an Kindern
  4. Präventive Maßnahmen
  5. Fallmanagement
  6. Dokumentation und Weiterentwicklung
  7. Bekanntmachung der Kinderschutzrichtlinie
  8. Gültigkeit der Kinderschutzrichtlinie
  9. Anhänge

Danksagung

Teil des Erfolges von Kinderschutzrichtlinien ist eine kollaborative Entstehung. Arbeiten viele unterschiedliche Menschen zusammen, treffen zahlreiche Ansichten, Ideen und Umsetzungsvorschläge aufeinander. Die Geschäftsstelle der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention möchte ausdrücklich dem Netzwerk Kinderrechte Österreich danken, das sich bereits etwas früher auf den Weg zu einer Kinderschutzrichtlinie gemacht hat. Die Erfahrungen und Ergebnisse des österreichischen Prozesses waren für den deutschen Prozess handlungsleitend und haben maßgeblich zu der Konzeption und dem vorliegenden Resultat beigetragen.

Danken möchten wir auch unseren Vorstandsmitgliedern Julia Burmann, Üwen Ergün, Jette Nietzard und Sabine Troitzsch, die in ihrem Ehrenamt die Kinderrechte und hier insbesondere den Kinderschutz mit ihrem Expertenwissen voranbringen. Ohne dieses Wissen, ohne die Zeit und Hingabe in den zahlreichen Diskussionen wäre diese Kinderschutzrichtlinie nicht entstanden. Vielen herzlichen Dank.

1. Einleitung

Die National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist ein unabhängiges Netzwerk mit 104 Mitgliedsorganisationen. Es wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zu fördern, und im Jahr 2013 ein eingetragener Verein.

Die UN-Kinderrechtskonvention mit ihren grundlegenden Prinzipien bildet das Fundament der Arbeit des Netzwerks. Gemäß Kinderrechtskonvention stehen allen Kindern Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte zu. Diese Rechte sind nicht voneinander zu trennen. Auch wenn die Kinderschutzrichtlinie einen besonderen Fokus auf den Schutz vor Gewalt legt, sind die anderen Rechte als Rahmen mitzudenken.

Im Mai 2020 beschloss der Vorstand, die Basisversion einer Kinderschutzrichtlinie zu erarbeiten, die nun hiermit vorliegt. Entscheidungsleitend waren hierbei das Bewusstsein, dass Arbeitszusammenhänge der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention nicht frei von Gewalt sind, ein Netzwerk von Kinderrechtsorganisationen aber gleichzeitig eine besondere Verantwortung für die Einhaltung von Kinderrechten trägt. Auch Kooperationsvorhaben mit Förderung der Europäischen Union erfordern Kinderschutzrichtlinien bei der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Die vorliegende Basisversion einer Kinderschutzrichtlinie umfasst den Tätigkeitsbereich der Geschäftsstelle. Ein sich anschließender Konsultationsprozess mit den Mitgliedern des Netzwerks, der ebenfalls im Mai 2020 beschlossen wurde, könnte eine Erweiterung des Anwendungsbereichs zum Ergebnis haben und die vorliegende Kinderschutzrichtlinie ergänzen. Ebenso sind Verbreitung und Verstetigung im Netzwerk mögliche Perspektiven.

2. Ziel und Adressaten der Kinderschutzrichtlinie

2.1 Kinder und Jugendliche

Diese Kinderschutzrichtlinie wurde entwickelt, damit die Rechte von Kindern und Jugendlichen während ihrer Teilnahme an Aktivitäten, Projekten und Programmen der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention geachtet werden und Kinder und Jugendliche vor Gewalt geschützt sind.

2.2 Mitarbeitende

Die vorliegenden Standards dienen der Sensibilisierung von Mitarbeitenden und bieten Orientierung im Hinblick auf gemeinsame Grundwerte und Verhaltensrichtlinien. Sie sind auch konkrete Leitlinien für den Umgang mit Verdachtsfällen.

Die vorliegenden Leitlinien und Standards dienen dem Schutz der Mitarbeitenden und der externen Fachkräfte, die im Auftrag des Vereins mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Im Falle eines Verdachts soll ein faires Verfahren gewährleistet werden. Bei Entkräftung des Verdachts werden Maßnahmen ergriffen, welche die Reputation der Person wiederherstellen (vgl. Kapitel 5, Fallmanagement).

2.3 Ehrenamtlich tätige Personen

Für den Verein sind mehrere Personen ehrenamtlich tätig, beispielsweise im Vorstand, in wissenschaftlichen Beiräten oder in der Rechnungsprüfung. Besonders in der Mitarbeit in Projekten, aber nicht nur dort sind Kontakte mit Kindern und Jugendlichen möglich. Die vorliegenden Leitlinien und Standards dienen der Sensibilisierung der ehrenamtlich Tätigen und bieten Orientierung sowie konkrete Handlungsrichtlinien.

3. Gewalt an Kindern

3.1 Rechtlicher Rahmen

Die Rechte von Kindern und Jugendlichen einschließlich ihres Schutzes vor jeglicher Form von Gewalt sind auf globaler, nationaler und regionaler Ebene in verschiedenen Konventionen und Gesetzen verankert.

Die UN-Kinderrechtskonvention und die drei Zusatzprotokolle (Fakultativprotokolle zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes, betreffend erstens die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, zweitens den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie sowie drittens ein Mitteilungsverfahren) bilden den übergeordneten Bezugsrahmen der Kinderschutzrichtlinie der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Die darin enthaltenen vier Grundprinzipien, die das Recht auf Gleichbehandlung, den Vorrang des Kindeswohls, das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung sowie die Achtung vor der Meinung des Kindes umfassen, sind selbstverständlicher Teil unserer Haltung.

Die Konvention definiert in Art. 1 „jeden Menschen als Kind, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hat, es sei denn, dass das jeweils geltende nationale Recht eine frühere Volljährigkeit festlegt“.

In Deutschland sind als zentrale Elemente des Kinder- und Jugendschutzes unter anderem das Bundeskinderschutzgesetz von 2012 und das Recht auf gewaltfreie Erziehung in § 1631 BGB aus dem Jahr 2000 zu nennen.

3.2 Definitionen

Gewaltbegriff

Gewalt verletzt die Rechte des Kindes auf körperliche und psychische Integrität. Gewalt gegen Kinder tritt in unterschiedlichsten Formen und Situationen auf und steht in der Regel mit Machtungleichgewicht und Abhängigkeiten in Zusammenhang. Sie kann erfolgen durch Erwachsene, aber auch durch Kinder gegenüber anderen Kindern; sie kann sich im Internet beziehungsweise in den sozialen Medien manifestieren beziehungsweise über das Internet angebahnt werden; sie schließt auch Gewalt von Kindern an sich selbst (zum Beispiel Selbstverletzung) mit ein. Vielfach sind Kinder mehrfachen Formen von Gewalt – auch gleichzeitig – ausgesetzt und mit erhöhtem Risiko einige Gruppen von Kindern, zum Beispiel unbegleitete geflüchtete Minderjährige, Mädchen oder Kinder mit Behinderungen.

Unzureichende Umsetzung des Gewaltverbots, mangelndes Monitoring und fehlender Rechtsschutz können zu struktureller beziehungsweise institutioneller Gewalt gegen Kinder führen. Die Kinderschutzrichtlinie der National Coalition Deutschland verwendet einen breiten Gewaltbegriff, der auch Art. 19 der UN-Kinderrechtskonvention zugrunde liegt.

Körperliche Gewalt

Körperliche Gewalt ist laut der Weltgesundheitsorganisation die absichtliche Verwendung von physischer Gewalt oder Macht, angedroht oder tatsächlich, gegen sich selbst, eine andere Person, eine Gruppe oder Gemeinschaft. Sie mündet tatsächlich oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Verletzung, Tod, psychologischem Schaden, Fehlentwicklung oder Mangel.

Sexualisierte Gewalt/Sexueller Missbrauch

Unter sexualisierter Gewalt oder sexuellem Missbrauch wird hier die Verleitung beziehungsweise der Zwang von Kindern zu sexuellen Handlungen verstanden. Sexualisierte Gewalt erfolgt oftmals auch in Verbindung mit sexueller Ausbeutung, zum Beispiel bei der Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsbildern im Internet. Sexualisierte Übergriffe können sich auch durch Verwendung von nicht altersadäquaten Worten und Begriffen manifestieren, durch die tatsächliche oder angedrohte sexuell motivierte Berührung eines Kindes, durch Aktivitäten ohne körperlichen Kontakt, wie zum Beispiel das Zeigen von pornografischem Material oder das Zeigen beziehungsweise Berühren der eigenen Geschlechtsteile in Anwesenheit des Kindes.

Psychische Gewalt

Unter psychische Gewalt fallen Formen der Misshandlung durch psychischen oder emotionalen Druck, einschließlich der Demütigung des Kindes, Beschimpfen, In-Furcht-Versetzen, Ignorieren, Isolieren und Einsperren, Miterleben von häuslicher Gewalt sowie hochstrittige Pflegschaftsverfahren, Stalking, Mobbing/Bullying und Cyber-Bullying sowie sonstige Formen von psychischer Gewalt, die sich vorwiegend im beziehungsweise über das Internet manifestieren, wie zum Beispiel Verhetzung, Diskriminierung und Grooming.

Vernachlässigung

Vernachlässigung beinhaltet das Vorenthalten von Leistungen zur Befriedigung kindlicher Bedürfnisse (physisch, psychisch, emotional, sozial).

Weitere Gewaltformen und Gewaltkontexte, wie beispielsweise „schädliche Praktiken“, Kinderhandel, strukturelle Gewalt oder die Genderdimension von Gewalt, sind für eine ganzheitliche Betrachtung von Gewalt notwendig. Die hier vorliegende Kinderschutzrichtlinie richtet den Fokus auf die oben genannten Gewaltformen.

4. Präventive Maßnahmen

Die Kernelemente der Präventionsmaßnahmen im Rahmen der Kinderschutzrichtlinie in der Geschäftsstelle bestehen aus dem Verhaltenskodex, den Standards für die Einstellung beziehungsweise Beauftragung von Mitarbeitenden und Sensibilisierungsmaßnahmen. Hinzu kommen die Benennung einer oder eines Beauftragten für Kinderschutz und Standards für die Zusammenarbeit mit externen Personen und mit Medien.

4.1 Verhaltenskodex

Alle Personen, die für die Geschäftsstelle tätig sind beziehungsweise von ihr beauftragt werden, unterzeichnen den Verhaltenskodex der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Sie verpflichten sich somit, zu einem geschützten Umfeld für Kinder und andere vulnerable Personen beizutragen. Dies betrifft insbesondere angestellte Mitarbeitende, externe Fachkräfte oder Projektmitarbeitende sowie ehrenamtlich Tätige. Der Verhaltenskodex zielt darauf ab, einen professionellen und persönlichen Schutzstandard zu gewährleisten. Mit der Unterschrift der Verhaltensregeln verpflichtet sich der oder die Unterzeichnende dazu, aktiv dazu beizutragen, ein Umfeld aufzubauen und zu wahren, das für Kinder sicher ist. Alle Mitarbeitenden der Geschäftsstelle sind für die Beachtung, Bekanntmachung und Verbreitung der Verhaltensregeln verantwortlich.

Die Unterzeichnung des Verhaltenskodex ist Voraussetzung für eine Tätigkeit im Rahmen der Geschäfts-stelle oder im Ehrenamt. → Verhaltenskodex, siehe Anhang 4

4.2 Personaleinstellung

Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, Repräsentanten sowie auf Vertragsbasis kurzfristig für den Verein Tätige werden sorgfältig ausgewählt und überprüft. Ausschreibungen für Stellen und Werk- oder Honorarverträge enthalten einen Hinweis auf die Kinderschutzstandards des Vereins.

Im Zuge des Einstellungs- beziehungsweise Auswahlverfahrens werden Fragen zum Kinderschutz im Auswahlgespräch erörtert. Bereits im Vorstellungsgespräch werden Personen auf die Kinderschutzrichtlinie hingewiesen. Die Identifikation mit der Kinderschutzrichtlinie und die Verpflichtung zur Einhaltung des Verhaltenskodex sind Voraussetzung für eine Einstellung.

Bei der Aufnahme von Mitarbeitenden und bei Vereinbarungen mit ehrenamtlich sowie freiberuflich Tätigen wird die Haltung zu Gewalt an Kindern thematisiert. Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ist beizubringen, sofern es sich um eine Tätigkeit handelt, die einen direkten Kontakt mit Kindern vorsieht. Alle Mitarbeitenden werden in einem persönlichen Gespräch über die Kinderschutzrichtlinie informiert.

4.3 Sensibilisierungsmaßnahmen und Fortbildung

Das Netzwerk Kinderrechte trägt dafür Sorge, dass alle Mitarbeitenden Basiskenntnisse über Gewaltprävention und gewaltfreien Umgang inklusive sexualisierter Gewalt und Erkennen von Signalen haben und sie Fortbildungen zum Thema Gewaltprävention und Intervention in Anspruch nehmen können. Dazu werden Informationsveranstaltungen und Schulungen für den angesprochenen Kreis an Mitarbeitenden (intern wie extern) angeboten. Darüber hinaus werden die Kinderschutzbeauftragten ein Konzept dazu entwickeln, wie die Kinderschutzrichtlinie der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention bekannt gemacht und in die Arbeit miteinbezogen werden kann.

4.4 Kinderschutzbeauftragte oder Kinderschutzbeauftragter

Die Geschäftsstelle der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention wird beauftragt, eine Ansprechperson in der Geschäftsstelle zu bestimmen, die die Rolle einer oder eines Kinderschutzbeauftragten übernimmt. Darüber hinaus benennt der erweiterte Vorstand eine weitere Ansprechperson eines anderen Genders als die Person der Geschäftsstelle, die ehrenamtlich für den Verein tätig ist. Außerdem ist es möglich, außerhalb der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention eine Ombudsperson zu benennen.

Zentrale Aufgaben der oder des Kinderschutzbeauftragten sind:

  • Begleitung und Sicherstellung der Umsetzung der Kinderschutzrichtlinie
  • Durchführung der Risikoanalyse
  • Monitoring und jährlicher Bericht an das Leitungsteam beziehungsweise in den Mitgliederversammlungen
  • Ansprechperson bei Verdachtsfällen sowie Betreuung und Krisenmanagement

Das Anforderungsprofil für die Kinderschutzbeauftragte oder den Kinderschutzbeauftragten befindet sich in Anhang 5.

4.5 Standards zur Kooperation und Kommunikation mit Medien

Die Geschäftsstelle der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention pflegt Kontakte zu Medienvertretern und Medienvertreterinnen. Um Kinder und Jugendliche vor Gefahren wie Gewalt oder Stigmatisierung zu schützen, achtet die Geschäftsstelle darauf, dass bei der Herstellung und Verbreitung medialer Inhalte die Standards der Kinderrechtskonvention berücksichtigt werden und die Würde der Kinder gewahrt und ihre Identität geschützt wird. Die Geschäftsstelle informiert Medienvertreter und Medienvertreterinnen über die Richtlinien für die Berichterstattung inklusive der Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Kinder , und führt gegebenenfalls auch persönliche Briefings für sie durch.

Die Geschäftsstelle verpflichtet sich zu einem sorgfältigen Umgang mit dem Erstellen und der Veröffentlichung von Fotos von Kindern und Jugendlichen. Als Orientierung dienen die Richtlinien für die Berichterstattung. Wenn Fotos beispielsweise im Rahmen einer Projektdokumentation auf Facebook oder auf der Website veröffentlicht werden sollen, müssen zum einen die Kinder und Jugendlichen zustimmen, zum anderen muss hierzu jeweils auch die gesonderte Einwilligung des oder der Erziehungsberechtigten eingeholt werden. Es ist darauf zu achten, dass Standorte und andere identifizierende Informationen, die zum Aufenthaltsort von Kindern führen könnten, geändert werden. Das Thema Fotorechte wird in der Geschäftsstelle regelmäßig thematisiert, um die Privatsphäre der Kinder und Jugendlichen angemessen zu schützen.

4.6 Zustimmungs- und Einverständniserklärungen

Bei Veranstaltungen, insbesondere über mehrere Tage und inklusive Reisen, sind Aufsichtspflicht-regelungen und Jugendschutzgesetze der jeweiligen Veranstaltungsorte einzuhalten. In diesem Rahmen werden Vereinbarungen mit Kindern, Jugendlichen und ihren Erziehungsberechtigten getroffen.

Datenschutz und Recht am eigenen Bild

In Hinblick auf Fotos, Videos und andere persönliche Informationen über das Leben von Kindern und Jugendlichen, die in Materialien des Netzwerks verwendet oder deren Daten anderweitig verarbeitet werden, müssen die Standards der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingehalten werden.

Ist der oder die Minderjährige unter 14 Jahre alt, ist zwingend die Einwilligung der sorgeberechtigten Personen nötig. Ist die oder der Minderjährige älter als 14 Jahre, ist die schriftliche Einwilligung des oder der Jugendlichen ausreichend.

Grundsätzlich soll auch bei Kindern unter 14 Jahren eine schriftliche Einwilligung des Kindes eingeholt werden. Kinder beziehungsweise Jugendliche müssen in verständlicher Weise darüber informiert werden, wie die Informationen, das Bild, der Film verwendet werden und dass sie das Recht haben, die Zustimmung zu verweigern oder später zu widerrufen. Sie müssen gefragt werden, ob sie zustimmen, dass ihr Vorname mit der Information, dem Bild oder Film geteilt wird.

→ Ein beispielhaftes Anmeldeformular für eine (Auslands-)Reise inklusive Fotoeinwilligung und Einverständniserklärung ist in Anhang 10 zu finden.

Interviews mit Kindern und Jugendlichen

Die Befragung von Kindern erfordert gewisse Fähigkeiten. Die folgenden Grundprinzipien sollten beachtet werden, um sicherzustellen, dass die Würde und Rechte der Kinder geachtet werden.

Bevor das Kind einwilligt, ein Interview durchzuführen, muss über das Ziel und die geplanten Themen des Interviews sowie das Recht des Kindes, seine Einwilligung jederzeit widerrufen zu können, aufgeklärt werden. Der Interviewer oder die Interviewerin sollte zu Beginn des Interviews das Verständnis des Kindes für sein Einverständnis überprüfen.

Während des Interviews sollte eine zusätzliche Person anwesend sein, mit der das Kind vertraut ist. Wo immer es möglich ist, sollte das Kind die Wahl haben, wer ihn oder sie während des Interviews unterstützt. Vor dem Beginn des Interviews ist klarzustellen, dass das Kind nur sprechen muss, wenn es sich wohlfühlt, und dass es jederzeit seine Zustimmung beenden und zurückziehen kann. Die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sind zu berücksichtigen, ob es zum Beispiel angenehmer wäre, mit einem Mann oder einer Frau zu sprechen.

Wenn das Interview aufgezeichnet wird, muss das Kind darauf hingewiesen und ein schriftliches Einverständnis des Kindes oder der jugendlichen Person sowie des oder der Erziehungsberechtigten eingeholt werden.

5. Fallmanagement

5.1 Anwendbare Grundlagen

Sollte ein Verdachtsfall in der Geschäftsstelle bekannt werden, kommen folgende Grundlagen zur Anwendung:

  • das Handlungsschema für den Verdachts- beziehungsweise Krisenfall
  • Zuständigkeit der oder des Kinderschutzbeauftragten (KSB)
  • Meldeformular
  • Beschwerdemanagement
  • Information über das Beschwerdemanagement für Mitarbeitende, Kooperationspartner, externe Dienstleister
  • Information über das Beschwerdemanagement in kind- beziehungsweise jugendgerechter Form und Sprache

5.2 Allgemeine Standards

Der Verein geht jedem gemeldeten Verdachtsfall nach. Für die professionelle Abwicklung wurden entsprechende Leitlinien für den Krisenfall entwickelt. Das Fallmanagement-Prozedere stellt einen Bezugsrahmen dar und soll den Informationsfluss sicherstellen. Grundlage aller Entscheidungen innerhalb des Fallmanagement-Systems sind das Wohl und der Schutz des Kindes. Der rasche Zugang zu Hilfsangeboten ist zu gewährleisten, um weiteren Schaden von ihm abzuwenden.

Das Fallmanagement-System ist allen Mitarbeitenden sowie den externen Fachkräften und Dienstleistern bekannt. Ferner sind alle Kooperationspartner über die Abläufe dieses Systems informiert. Kinder und Jugendliche werden in angemessener Form und verständlicher Sprache über das Beschwerdemanagement sowie die Ansprechpersonen informiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Geschäftsstelle selbst Projekte durchführt, die den direkten Kontakt mit Kindern vorsehen.

Bei allen Hinweisen ist es zunächst von zentraler Bedeutung, Ruhe zu bewahren und sowohl das Opfer als auch die verdächtige Person nie unmittelbar zum Vorfall zu befragen. Der Opferschutz hat höchste Priorität; dies beinhaltet eine sensible Vorgehensweise. Ziel des Fallmanagement-Systems ist es, bei Hinweisen eine adäquate und schnelle Untersuchung der jeweiligen Situation zu ermöglichen und Fälle von Missbrauch und Misshandlung frühzeitig zu erkennen. Eine Befassung durch die Kinderschutzbeauftragte oder den Kinderschutzbeauftragten soll innerhalb von 24 Stunden ab Bekanntwerden der Hinweise stattfinden.

Der oder die Kinderschutzbeauftragte entscheidet über die weitere Zusammenarbeit mit der Person bis zur Klärung, gegebenenfalls kann in besonders schweren Fällen die Zusammenarbeit ruhend gestellt werden. Die Abklärungen sind gemäß Datenschutzrichtlinien und auf der Basis eines fairen Verfahrens durchzuführen. Die jeweiligen Vorgehensweisen werden notwendigerweise nach vereinsinternen und -externen Personen differenziert und finden sich in detailliert ausgearbeiteter Form in Anhang 8.

5.3 Leitlinien für den Krisenfall und Vorgehen bei Hinweisen

Die zentrale Anlaufstelle ist die oder der Kinderschutzbeauftragte der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in der Geschäftsstelle. Eine zweite Person anderen Genders und ehrenamtlich tätig im erweiterten Vorstand wird ebenfalls als Ansprechperson kommuniziert.

Die oder der Kinderschutzbeauftragte führt die erste Klärung durch und entscheidet in Absprache mit der Geschäftsführung über die weiteren Schritte. Die betroffenen Personen werden über das Vorgehen unter Einhaltung geltender Datenschutzbestimmungen und Verschwiegenheitspflichten informiert.

Grundsätzlich können drei verschiedene Fallkonstellationen unterschieden werden, mit denen die Geschäftsstelle konfrontiert werden kann:

a) Die Hinweise betreffen eine Person aus dem Kreis der Mitarbeitenden der Geschäftsstelle beziehungsweise Personen, die über eine Tätigkeit oder einen Auftrag für die Geschäftsstelle Zugang zu Kindern und Jugendlichen erlangt haben.

b) Die Hinweise betreffen eine Mitgliedsorganisation der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention beziehungsweise Personen, die über die Mitgliedsorganisationen Zugang zu Kindern haben.

c) Mitarbeitende der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention erlangen im Zuge der Durchführung von Aktivitäten Kenntnis über Gewalt an Kindern mit Hinweis auf Personen, Organisationen oder Institutionen, die außerhalb der unmittelbaren Zuständigkeit beziehungsweise Verantwortung der Geschäftsstelle stehen, zum Beispiel innerhalb der Familie.

Während für die erste Fallkonstellation mit der vorliegenden Kinderschutzrichtlinie Handlungssicherheit gegeben wird, entsteht für die zweite und dritte Fallkonstellation vor allem eine Zuständigkeit für die Einleitung weiterer Schritte durch die Kinderschutzbeauftragte beziehungsweise den Kinderschutzbeauftragten.

6. Dokumentation und Weiterentwicklung

Die Geschäftsstelle der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention überprüft die Umsetzung der Kinderschutzrichtlinie regelmäßig. Die oder der Kinderschutzbeauftragte berichtet einmal pro Jahr über Aktivitäten in Zusammenhang mit Kinderschutz an den geschäftsführenden Vorstand und an die Mitgliederversammlung.

Darüber hinaus tauschen sich der oder die Kinderschutzbeauftragte, die Geschäftsführung und der geschäftsführende Vorstand regelmäßig über aktuelle Fälle und Neuigkeiten im Bereich Kinderschutz aus. Die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle informieren sich gegenseitig und planen notwendige Fortbildungen. Ziel ist, einen Prozess fortlaufenden organisationsinternen Lernens zur Verbesserung des Kinderschutz-Systems zu erwirken. Jeder einzelne Hinweis wird nach den vorgegebenen Formularen abschließend dokumentiert und gemäß Datenschutzbestimmungen für sensible Daten abgelegt.

Vorfälle und Beschwerden werden nicht nur professionell gehandhabt, sie dienen auch dem Lernprozess der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Der oder die Kinderschutzbeauftragte ist verantwortlich für die Dokumentation und den jährlichen Statusbericht an den geschäftsführenden Vorstand und die Mitgliederversammlung. In den Bericht fließen Erfahrungswerte aus der laufenden Arbeit und Änderungsvorschläge zur Handhabung zukünftiger Fälle mit ein. Durch die Dokumentation und Berichterstattung wird die Transparenz sichergestellt.

Alle drei Jahre wird die Kinderschutzrichtlinie einer internen Überprüfung unterzogen und – falls nötig – überarbeitet.

7. Bekanntmachung der Kinderschutzrichtlinie

Die National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention wird die Kinderschutzrichtlinie auf ihrer Website veröffentlichen und in ihr internes Wissensmanagement aufnehmen. Im Rahmen der Mitgliederversammlung 2020 wird die Kinderschutzrichtlinie den Mitgliedern vorgestellt. Der oder die Kinderschutzbeauftragte leitet weitere Schritte zur Kommunikation und Weiterentwicklung ein.

8. Gültigkeit der Kinderschutzrichtlinie

Die Kinderschutzrichtlinie der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention erlangt Gültigkeit, sobald der erweiterte Vorstand der National Coalition Deutschland über deren Aufnahme in die Geschäftsordnung entschieden hat.

9. Anhänge

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