BeteiligungÜber unsUN-Kinderrechtskonvention

Jugendliche stärken unsere Demokratie: Ein Interview zur Europawahl mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas

Die Förderung politischer Bildung und die Stärkung der demokratischen Teilhabe von Jugendlichen sind entscheidende Anliegen in der heutigen Zeit. In einem kürzlich geführten Interview mit Kirsten Schweder vom Netzwerk Kinderrechte im Hinblick auf die Europawahl am 9. Juni erläuterte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ihre Rolle als Schirmfrau der U18-Wahl und ihre Unterstützung für die Senkung des Wahlalters bei der Europawahl auf 16 Jahre.

Kirsten Schweder, Netzwerk Kinderrechte: Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin Bas, Sie sind Schirmfrau der National Coalition, dem Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Sie sind zudem auch Schirmfrau der U18-Wahl. Was hat Sie dazu bewogen, hier als Schirmfrau aufzutreten?

Bärbel Bas: Mir ist es wichtig, junge Menschen für unsere Demokratie zu begeistern und politisches Interesse zu fördern. Die U18-Wahl stellt die selbstbestimmte Meinungsbildung der Kinder und Jugendlichen sowie ihre Auseinandersetzung mit unserem politischen System in den Mittelpunkt. Demokratie ist anspruchsvoll – und auch die Wahlentscheidung will gelernt sein. Allen Kindern und Jugendlichen rufe ich daher zu: Macht mit bei der U18-Wahl! Und wer schon 16 oder 17 Jahre alt ist: Nutzt Euer Wahlrecht bei der Europawahl am 9. Juni. Nur wer mitmacht, redet und entscheidet mit. Unsere Demokratie braucht junge Menschen, die sich engagieren, etwas bewegen wollen und frischen Wind in alte und neue Debatten bringen.

Kirsten Schweder, Netzwerk Kinderrechte: Seit Februar 2023 ist das Mindestalter für die Teilnahme an der Europawahl von 18 auf 16 Jahre abgesenkt. Wie stehen Sie zur Herabsenkung des Wahlalters und würden Sie sich eine Herabsetzung des Wahlalters auch für die kommende Bundestagswahl wünschen?

Bärbel Bas: Es tut unserer Demokratie gut, dass bei der Europawahl am 9. Juni in Deutschland erstmals 16-Jährige und 17-Jährige teilnehmen können. Nach meiner Überzeugung wäre eine Übertragung dieser Regelung auf die Bundestagswahlen konsequent. In einigen Bundesländern kann man schon mit 16 wählen, zum Beispiel in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein oder in Brandenburg.

Interessant finde ich auch die positiven Erfahrungen aus unserem Nachbarland Österreich, wo auf allen politischen Ebenen ab 16 Jahren gewählt werden darf. Studien zeigen, dass hier nach der Absenkung des Wahlalters im Jahr 2007 eine deutliche Zunahme des politischen Interesses der jungen Menschen eintrat. Bei jungen Menschen besteht auch eine höhere Wahlbeteiligung. Außerdem machen Menschen, die bereits in jungen Jahren wählen dürfen, auch später eher von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Ich bin fest davon überzeugt: Unsere Demokratie wird gestärkt, wenn jüngere Menschen wählen dürfen. Die Altersgrenze für das Wahlrecht zu senken bietet der jüngeren Generation die Möglichkeit, ihre Interessen – wie Ausbildungschancen – besser zu vertreten. Und für mich ist das Wählen mit 16 auch ein Teil der Demokratieerziehung.

Manche haben Bauchschmerzen, wenn Jugendliche vor der Volljährigkeit das Wahlrecht haben sollen. Ich werbe aber weiter für eine verfassungsändernde Mehrheit zur Absenkung des Wahlalters auf 16. Viele Jugendliche übernehmen Verantwortung in der Gesellschaft, indem sie sich ehrenamtlich im Sportverein, in der Kirche, im Musikverein oder in der Schule engagieren. Das zeigt, dass viele Menschen zwischen 16 und 18 Jahren reif und reflektiert genug sind, um ihr Wahlrecht verantwortungsvoll ausüben zu können.

Kirsten Schweder, Netzwerk Kinderrechte: Als Netzwerk Kinderrechte sprechen wir mit jungen Menschen nach der Europawahl über ihre Wahlerfahrungen, politische Partizipation und ihr Interesse an der Bundestagswahl 2025. Auch Sie waren einmal Erstwählerin. Wann war das? Können Sie sich noch daran erinnern, mit welchen Gefühlen Ihr erstes Wahlerlebnis verbunden war? Fühlten Sie sich im Vorfeld gut informiert?

Bärbel Bas: Das erste Mal habe ich 1987 an einer Bundestagswahl teilgenommen. Ich war damals 18 Jahre alt und kann mich noch an das Gefühl erinnern. Es hat mich stolz gemacht, etwas beitragen zu können und zu wissen, dass meine Stimme zählt. Zu dieser Zeit war ich Auszubildende bei den Duisburger Verkehrsbetrieben und engagierte mich dort als gewählte Jugend- und Auszubildendenvertreterin für bessere Ausbildungsbedingungen. Damals habe ich konkret gemerkt, wie wichtig es ist, sich für die Interessen meiner Generation zu engagieren. Ein Jahr später, im Jahr 1988, bin ich dann in die SPD eingetreten.

Im Vorfeld der Wahl fühlte ich mich gut informiert. Im Internet konnte ich damals zwar noch nicht recherchieren, aber ich habe die Nachrichten verfolgt und mir die Wahlprogramme der Parteien genau angesehen. Auf dieser Basis konnte ich meine Wahlentscheidung treffen.

Kirsten Schweder, Netzwerk Kinderrechte: Junge Menschen wollen mitgestalten und gehört werden. Politische Bildung hat gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulismus unsere Demokratie immer mehr angreift, einen großen Stellenwert. Was brauchen junge Menschen, um eine informierte Wahlentscheidung treffen zu können?

Bärbel Bas: Junge Menschen brauchen eine starke politische Bildung – wie sie zum Beispiel in gutem Gemeinschaftskunde-, Sozialkunde- oder Politikunterricht in der Schule vermittelt wird. Auch die Bildungsprogramme der Bundeszentrale für politische Bildung sind notwendig. Wichtig ist zudem, die Jugendlichen in den sozialen Medien zu erreichen. Der Deutsche Bundestag ist hier verstärkt präsent, auch meine Arbeit als Bundestagspräsidentin kann man auf dem Instagram-Kanal @bundestagspraesidentin mitverfolgen. Die Parteien haben die Herausforderung ebenfalls erkannt und setzen vermehrt auf Kanäle in den sozialen Medien.

Wer eine informierte Entscheidung treffen möchte, muss fake news, Desinformation und Verschwörungstheorien erkennen und von nachprüfbaren Fakten unterscheiden können. Das ist für mich heute ein wesentlicher Bestandteil politischer Bildung. Und wie oben schon geschrieben: Für mich ist das Wählen mit 16 daher ein Teil der Demokratieerziehung. Ich bin mir sicher, dass sich die Schulen dann noch viel mehr mit politischer Bildung und Demokratiebildung beschäftigen.

Ich bin mir auch sicher, dass junge Menschen mitgestalten möchten und dabei sollten wir sie so gut wie möglich unterstützen.