GrundgesetzKindeswohlvorrang

Pressemitteilung: Vorschlag bleibt hinter Kinderrechtskonvention zurück

Berlin, 13. Januar 2021

Das Grundgesetz garantiert besonders in Krisenzeiten die Werte einer Gesellschaft, wie sich während der COVID-19-Pandemie eindrücklich zeigt. Deshalb ist jetzt ein hervorragender Zeitpunkt, Kinderrechte explizit im Grundgesetz zu verankern und damit die Rechtsstellung von Kindern in der Verfassung zu stärken. Der Vorschlag der Regierungsparteien entspricht jedoch weder den völkerrechtlichen Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention noch den in der EU-Grundrechtecharta enthaltenen Rechten der Kinder. Außerdem fällt er hinter die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück und wird dem Anspruch nicht gerecht, die Rechte von Kindern tatsächlich zu stärken.

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Die Regierungsparteien haben sich am 12. Januar 2021 auf folgende Formulierung geeinigt, die in Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz eingefügt werden soll:

“Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen.
Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen.
Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren.
Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.”

Die Begrenzung auf die “verfassungsmäßigen Rechte” der Kinder ignoriert die Geltung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland und die damit verbundenen weitergehenden Verpflichtungen, die der Bundesregierung aus dieser internationalen Konvention erwachsen.

Eine bloße “angemessene Berücksichtigung” des Kindeswohls ist eine verfassungsrechtliche Formel ohne besondere Bedeutung, da eine angemessene Abwägung von Rechtsgütern aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ohnehin stattfinden muss. Aus Sicht der National Coalition Deutschland ist “angemessen” durch “vorrangig” zu ersetzen, um die erforderliche besonderen Berücksichtigung der kindlichen Interesses auszudrücken.

Der Textvorschlag des Koalitionsausschusses sieht weiter vor: “Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren”. Die Reduktion auf rechtliches Gehör wird Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention nicht gerecht, der ein Beteiligungsrecht enthält, das weit über das rechtliche Gehör hinausgeht. Um eine echte Verbesserung im Sinne einer völkerrechtskonformen Auslegung des Grundgesetzes zu erreichen, muss hier eine Formulierung gefunden werden, die Gehör und Berücksichtigung der Meinung von Kindern entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife im Grundgesetz verankert.

Die National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist ein Zusammenschluss von 105 deutschen Kinderrechteorganisationen.

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