Über unsUmweltUN-Kinderrechtskonvention

Veranstaltung „Die Klimakrise als Kinderrechtskrise“ – Dokumentation

Am 07. Dezember 2023 fand die alljährliche gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ und der National Coalition Deutschland Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention (NC) statt. Das Thema der Veranstaltung lautete „Die Klimakrise als Kinderrechtskrise. Wie trägt der General Comment 26 zur Verankerung ökologischer Kinderrechte bei?“. Franziska Porst, Geschäftsführerin der AGJ, und Pauline Richter, wissenschaftliche Referentin bei der NC, führten durch die Veranstaltung. Die AGJ und die NC sind Nationale Partnernetzwerke der europäischen Kinderrechtsorganisation Eurochild. Die enge Zusammenarbeit hat eine Brückenfunktion zwischen europäischen und deutschen Debatten. Mit der jährlichen gemeinsamen Veranstaltung soll der Austausch zwischen diesen Ebenen befördert werden.

Hintergrund der diesjährigen Veranstaltung war die Veröffentlichung der Allgemeinen Bemerkung Nr. 26 (englisch: General Comment, kurz GC 26) zu Kinderrechten und Umwelt mit einem Fokus auf dem Klimawandel im Sommer 2023. Der GC 26 verankert ökologische Kinderrechte im UN-Kontext und reiht sich in den größeren Diskurs der Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschenrechte ein. Er erläutert die in der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) festgehaltenen Vorgaben zu ökologischen Kinderrechten und dient als Anleitung für die 196 Staaten, die die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert haben. Der GC 26 zeigt auf, was getan werden muss, um das Recht auf eine saubere und sichere Umwelt zu gewährleisten und konkretisiert die bisher eher vagen Aussagen der UN-KRK zum Thema Umwelt- und Klimaschutz. Er soll auf diese Weise Anstoß für globale Veränderungen und ein starkes Instrument für Kinder und Jugendliche und ihre Rechte in den kommenden Jahren sein.

Das Programm hielt für die über 100 Teilnehmenden zunächst Grußwörter von Üwen Ergün, dem Sprecher der NC, und Dr. Meike Kazmierczak, Leiterin des Referats Kinderrechte national und international im BMFSFJ, bereit. Beide betonten die Relevanz des Themas ökologische Kinderrechte und die Bedeutung des GC 26. Üwen Ergün erwähnte außerdem die Anerkennung des Menschenrechts auf eine gesunde, saubere und nachhaltige Umwelt (2021) als sehr wichtigen Schritt hin zu ökologischen Kinderrechten, stellte aber auch fest, dass es noch weitere Schritte auf nationaler Ebene brauche, u. a. die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Meike Kazmierczak griff die Perspektive der Kinder und Jugendlichen auf und bekräftigte, dass die Umwelt und die Klimakrise für junge Menschen aktuell zu den wichtigsten Themen zählen. Bezüglich des GC 26 fügte sie hinzu, dass Politik diese Anstöße brauche und für die dezidierten Auseinandersetzungen des Kinderrechtsausschusses mit den ökologischen Kinderrechten inklusive der Handlungsempfehlungen sehr dankbar sei. Frau Dr. Kazmierczak stellte noch einmal heraus, dass insbesondere Kinder und Jugendliche von den Folgen der Klimakrise und Umweltzerstörung betroffen seien und regte an, darüber zu sprechen, wie die Beeinträchtigung der Kinderrechte in diesem Kontext auf nationaler Ebene verhindert werden könne.

Den ersten Input gab Jonas Schubert, Koordinator des Advocacy-Teams bei terre des hommes Deutschland. Da terre des hommes Deutschland als zivilgesellschaftliche Partnerorganisation den Prozess zum GC 26 maßgeblich begleitet hat, stellte Jonas Schubert den GC 26 insgesamt und den Erarbeitungsprozess vor und gewährte einen Blick hinter die Kulissen. Insbesondere ging er dabei auf die beispiellose Kinder- und Jugendbeteiligung an der Erstellung des GC 26 ein.

Videomitschnitt zum 1. Input, Jonas Schubert

In einem zweiten Input erläuterte Kirsten Schweder, stellvertretende Geschäftsführerin der NC, die Beteiligung der Zivilgesellschaft am Entstehungsprozess des GC 26. Sie stellte, auch in Vertretung von Eva-Lotta Bueren, wissenschaftliche Referentin bei der AGJ, die krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte, das Positionspapier zum GC 26 „Die Klimakrise als Kinderrechtekrise. Der General Comment No. 26 und was nun passieren muss”, das der AGJ-Fachausschuss IV erarbeitet hat, sowie die Kommentierung des Entwurfs zum GC 26 durch die Zivilgesellschaft vor.

Videomitschnitt zum 2. Input, Kirsten Schweder

Powerpointpräsentationen Jonas Schubert, Kirsten Schweder und Eva-Lotta Bueren

Im Anschluss gab es Zeit für eine offene Diskussionsrunde mit den Inputgeber*innen, in der die Teilnehmenden ihre Gedanken und Erfahrungen einbringen und noch weiterführende Fragen stellen konnten. Eine Frage griff noch einmal die Methoden zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am Entstehungsprozess des GC 26 auf. Genannte Methoden waren die gemeinsame Themensammlung, Zusammentragen von Wünschen, Kommentierung des Entwurfs, ein Toolkit und das Beratungsgremium (Children Advisory Board). Weitere Infos zur Kinder- und Jugendbeteiligung finden sich auf der Webseite des GC 26.

Eine weitere Frage thematisierte die im GC 26 verwendeten Begriffe, die als technisch und distanziert empfunden würden. Dies wurde begründet mit dem diversen Adressat*innenkreis des GC 26. Der nüchterne Tonfall solle sicherstellen, dass der GC 26 auch von Entscheidungsträger*innen genutzt wird. Dennoch gab es vielfach die Rückmeldung, dass die Sprache nicht dem Ernst der Lage entspreche. Kirsten Schweder ergänzte hierzu, dass auch die AGJ und NC in ihrer Kommentierung die Sprache kritisiert hatten, z. B. hätten sie sich gewünscht, dass es „Klimakrise” statt „Klimawandel” geheißen hätte.

Es folgten Erfahrungsberichte aus der Praxis bezüglich der Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung, Umweltbildung allgemein und dem GC 26. Vom Kinderschutzbund wurde berichtet, dass dort durch regionale Verankerung in den Ortsverbänden versucht werde, die Inhalte des GC 26 zu verbreiten, wie sie es bereits mit dem GC 25 gemacht hätten. Dort gebe es auch viele Anknüpfungspunkte. Erfolgreich sei auch das Teilen von Best-Practice Beispielen unter den Ortsverbänden gewesen, z. B. in Bezug auf gesundes Essen, Natur und Umweltaktionen. Aus der Hochschulperspektive wurde berichtet, dass sie sehr dankbar für den GC 26 seien, da dieser es leichter mache, auf das Thema hinzuweisen und es in der Hochschullehre, z. B. im Studiengang Soziale Arbeit, zu verankern. Wichtig sei in diesem Kontext auch, dass die Adressat*innen von sozialer Arbeit häufig in besonderer Weise von der Klimakrise betroffen seien. Die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe sei es, Aufmerksamkeit zu erregen und die Politik darauf hinzuweisen. Auch müsse sich die Kinder- und Jugendhilfe eindeutig positionieren und die Klimabewegung unterstützen. Aus dem Bereich der Kindertagespflege und des Jugendamts wurde betont, dass der GC 26 einen Impuls darstelle und auch hier der Wunsch bestehe, hinsichtlich dieses Themas auf die Politik einzuwirken. Es wurden weitere Themen angeschnitten, z. B. Klimaschutz in Kitas, klimaneutraler Bau von Einrichtungen, die ungleiche Verteilung von klimaneutralen Möglichkeiten zwischen Land und Stadt (Stichwort: unzureichender ÖPNV). Zuletzt wurde auch noch die Verbindung zwischen der Klimakrise und dem psychischen Wohlergehen von Kinder- und Jugendlichen eingebracht und der Wunsch, diese Verknüpfung stärker zu betonen und mitzudenken. Auch hierfür sei der GC 26 sehr wichtig.

Prof. Dr. Karin Böllert, die Vorsitzende der AGJ, sprach ein Abschlussstatement. Einleitend betonte sie, dass die Klimakrise aus Kinderrechtsperspektive auch eine Frage der Generationengerechtigkeit sei und daher eine Querschnittsaufgabe, die in allen Ressorts eine Rolle spielen sollte. Das spiegle sich aktuell kaum wider, vor allem angesichts der Haushaltskürzungen. Der andere Punkt sei, dass ökologische Kinderrechte nur gemeinsam mit jungen Menschen diskutiert und umgesetzt werden könnten. Kinder- und Jugendpolitik bleibe insgesamt unvollständig, wenn sie nicht konsequent Klimafragen in den Blick nehme.  Sie stellte fest, dass sich für die Kinder- und Jugendhilfe auf drei Ebenen Aufgaben ergäben: 1) Angebote und Einrichtungen klima- und umweltverträglich zu gestalten, d. h. Klimaneutralität nicht nur fordern, sondern auch selbst praktizieren. Hierfür brauche es ein Investitionspaket. 2) Umwelt- und Bewusstseinsbildung in der pädagogischen Arbeit aus Adressat*innenperspektive zu gestalten, also mit jungen Menschen gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. 3) Zuletzt sei es die anwaltschaftliche Verpflichtung der Kinder- und Jugendhilfe, überall für ökologische Kinderrechte einzutreten und Kinder und Jugendliche beim Einfordern ihrer Rechte zu unterstützen.

AGJ und NC danken allen für die breite Teilnahme an der Veranstaltung und den Inputgebenden für ihre Mitwirkung. 2024 wird es weitere spannende Angebote zum Thema Kinderrechte, Umwelt und Klimakrise geben, z. B. im Frühjahr von der NC und terre des hommes. Ferner wird im kommenden Jahr die Preisverleihung des Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis 2024 – Hermine-Albers-Preis stattfinden, dieses Mal unter anderem in der Kategorie Praxispreis mit dem Thema: Ökologische Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe.