Bärbel Bas, Präsidentin des Deutschen Bundestags, ist neue Schirmfrau des Netzwerks Kinderrechte
Es hat mittlerweile Tradition, dass die Arbeit des Netzwerks Kinderrechte durch eine Schirmfrau oder einen Schirmherren begleitet wird. Wir freuen uns, dass Sie sich, sehr geehrte Frau Bas als Präsidentin des Deutschen Bundestags dazu bereit erklärt haben, dieses Amt zu übernehmen. Damit sehen wir das Amt, das vor Ihnen zuletzt der Vizepräsident des Deutschen Bundestags Thomas Oppermann innehatte, in guten Händen.
Frau Bas, Ihre Zusage erreichte uns fast postwendend, Sie haben offenkundig nicht lange gezögert. Warum haben Sie sich bereit erklärt als Schirmfrau die Arbeit des Netzwerks zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zu unterstützen?
Unsere Welt befindet sich in einem großen Umbruch: Wir haben einen Krieg in Europa und eine globale Pandemie. Wir müssen unter Hochdruck Antworten auf den Klimawandel finden, unsere Energieversorgung revolutionieren und unsere Wirtschaft grundlegend umbauen. Wir entscheiden jetzt über die Zukunft kommender Generationen. Was Erfolg oder Misserfolg unserer Politik konkret bedeuten, werden vor allem die Kinder von heute erleben. Schon die bisherige Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt: Die Bedürfnisse junger Menschen finden oft zu wenig Berücksichtigung. Umso wichtiger ist es, Kindern eine starke Stimme zu geben – insbesondere wenn es um ihre eigenen Aussichten und Chancen geht. Wir müssen für sie Mitsprache und Teilhabe sichern, ihre Rechte schützen und stärken. Diese Kinder werden unsere parlamentarische Demokratie in Zukunft mit Leben füllen und weiterentwickeln. Deshalb ist es für mich Ehrensache, Schirmfrau des Netzwerkes Kinderrechte zu sein.
Wann in Ihrem Leben, sind Ihnen Kinderrechte das erste Mal begegnet? Wie alt waren Sie da?
Schon zu Schulzeiten habe ich erlebt, was es heißt, wenn das Geld fehlt: Dass einem Möglichkeiten vorenthalten bleiben, die für viele Gleichaltrige selbstverständlich sind. Das hat mich geprägt, vor allem mein Gerechtigkeitsempfinden. Von Armut bedrohten Kindern bleiben viele Türen zum gesellschaftlichen Leben verschlossen. Weil ihren Familien die Mittel fehlen, junge Menschen umfassend zu fördern und zu unterstützen. Weil sie in ihrem Umfeld keine hilfreichen Netzwerke haben, auf die sie zugreifen können. Deshalb ist es mir besonders wichtig, die Rechte und Interessen von Kindern stark zu machen, die keine einfachen Startbedingungen haben.
Denken Sie, dass die UN-Kinderrechtskonvention heute den meisten Kindern und Jugendlichen bekannt ist? Falls nicht, wie ließe sich das ändern?
Es sind in diesem Jahr genau 30 Jahre, seit die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten ist. Zum Beispiel bei meinen Gesprächen mit Schulklassen merke ich: Bei vielen Kindern ist die Idee angekommen, dass auch sie Rechte haben. Da haben wir – nicht zuletzt die Mitglieder des Netzwerks Kinderrechte – bereits einiges erreicht.
Was die Kinderrechtskonvention selbst angeht, wissen aber vermutlich die wenigsten genau Bescheid. Es gibt viele Möglichkeiten sich zu informieren, trotzdem haben wir da noch Luft nach oben. Darin liegt auch ein Arbeitsauftrag für die Politik. Wir müssen lautstark Kritik üben, wo die Rechte von Kindern und Jugendlichen missachtet und verletzt werden – ob in Deutschland, Europa oder weltweit. Es braucht auch weiterhin Aktionen und Angebote, die verständlich und lebensnah über das Thema informieren. Nur dann kann die Botschaft der UN-Konvention auch dort ankommen, wo noch zu wenig über Kinderrechte gesprochen wird.
Übrigens: Im Deutschen Bundestag werden die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen von einer eigenen Kommission betreut, der so genannten „Kinderkom-mission“. Und das schon seit 1988, also ein Jahr bevor die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde.
Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf zur Verwirklichung der Kinderrechte in Deutschland?
Wir müssen die Chancengleichheit verbessern. Auch in Deutschland lernen viele junge Menschen schon sehr früh gesellschaftliche Härten und soziale Ungerechtigkeit kennen. Weil sie aufgrund ihrer sozialen Herkunft benachteiligt sind, weil sie in schwierigen Familienverhältnissen aufwachsen, weil sie wegen ihrer Behinderung, ihres Geschlechts oder ihrer Zuwanderungsgeschichte diskriminiert werden. Dass Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt und Missbrauch werden, ist unerträglich. Gerade denen, die wehrlos sind, müssen wir umfassenden Schutz bieten, Hilfe leisten und Unterstützungsangebote schaffen. Und wir müssen dafür sorgen, dass diese Angebote die Betroffenen auch wirklich erreichen.
Dazu braucht es auch politischen Willen, Geld in die Hand zu nehmen, Strukturen auf- und auszubauen, Recht zu setzen und zu ändern. Immer orientiert am Wohl des Kindes. Daher engagiere ich mich sehr gerne als Schirmfrau des Netzwerkes Kinderrechte.
Foto: © photothek (https://www.baerbelbas.de/medien/pressefotos)