Über unsUN-Kinderrechtskonvention

Unsere neue Schirmfrau Josephine Ortleb stellt sich vor

Liebe Frau Vizepräsidentin Ortleb, wir freuen uns, Sie als neue Schirmfrau des Netzwerks Kinderrechte vorstellen zu dürfen. Was bedeutet Ihnen persönlich das Thema Kinderrechte und warum haben Sie die Schirmfrauschaft für unser Netzwerk übernommen?

Josephine Ortleb: Ich bin Mutter eines vierjährigen Sohns. Wenn mein Sohn mir eine Frage stellt, dann erwartet er nicht nur eine Antwort, sondern er erwartet auch, dass ich ihm zuhöre und ihn ernst nehme. Genau darin liegt für mich der Kern von Kinderrechten. Kinder haben nicht nur Bedürfnisse, sie haben Rechte. Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung und sie verdienen, dass wir Erwachsene dafür auch Verantwortung übernehmen.

Als Abgeordnete erlebe ich leider, dass diese Rechte im Alltag noch zu oft hintenangestellt werden. Ob bei Armut, Bildungsgerechtigkeit oder beim Schutz vor Gewalt. Ich glaube, hier haben wir in Deutschland noch einiges zu tun. Genau deshalb habe ich die Schirmfrauschaft für das Netzwerk Kinderrechte übernommen. Das Netzwerk ist eine starke Stimme für Kinder, das politische Aufmerksamkeit bündelt und Missstände sichtbar macht. Als Schirmfrau möchte ich dazu beitragen, dass diese Themen mehr Sichtbarkeit bekommen und politisch konsequenter umgesetzt werden. Denn Kinderrechte gehören ins Zentrum unserer Demokratie, nicht nur auf dem Papier, sondern im Alltag jedes einzelnen Kindes.

Wann in Ihrem Leben, sind Ihnen Kinderrechte das erste Mal begegnet? Wie alt waren Sie da?

Josephine Ortleb: Mit Kinderrechten bin ich schon sehr früh in Berührung gekommen, aber ohne damals das Wort dafür zu kennen. Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem Politik und gesellschaftliches Engagement eine wichtige Rolle gespielt haben. Meine Eltern haben mich, wenn ich wollte, schon als Kind mit auf Demonstrationen genommen. Dort habe ich gelernt, dass Demokratie davon lebt, dass Menschen ihre Meinung äußern und sich für ihre Rechte einsetzen.

Als Jugendliche haben mich besonders die Proteste gegen das französische Atomkraftwerk Cattenom politisiert. Das Kraftwerk befindet sich nur wenige Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt. Das war ein Thema, das damals viele in meiner Region bewegt hat. Die vielen Störfälle dort haben uns Sorgen gemacht. Mir war es wichtig, dass wir künftig ohne hochriskante Technologie auskommen und stattdessen eine sichere, klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung für alle schaffen. Gerade als junge Menschen hat uns das mit Blick auf unsere Zukunft sehr betroffen.

Diese frühen Erfahrungen haben mich geprägt. Sie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, gerade die Interessen der jungen Generation ernst zu nehmen. Genau darum geht es auch bei Kinderrechten. Es geht darum Kindern und Jugendlichen eine starke Stimme für ihre Zukunft zu geben.

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen und den größten Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland?

Josephine Ortleb: Die größten Herausforderungen liegen für mich dort, wo Kinderrechte zwar längst festgeschrieben sind, aber im Alltag zu oft ins Leere laufen. Mich treibt besonders um, dass so viele Kinder in Deutschland nicht die gleichen Chancen haben. Kein Kind sollte hungrig in die Schule gehen oder auf Klassenfahrten verzichten müssen, weil das Geld zu knapp ist. Und doch ist jedes fünfte Kind in unserem Land von Kinderarmut betroffen, mit allen Folgen für Bildung, Gesundheit und Selbstvertrauen. Ich finde, dass darf so nicht sein. Ein weiteres Problem ist, dass Kinder viel zu selten wirklich gefragt werden, wenn es um Entscheidungen geht, die ihr Leben betreffen. Ob im Alltag in der Schule oder in der großen Politik. Ihre Perspektiven fehlen zu oft. Dabei zeigt jede Erfahrung, wenn Kinder einbezogen werden, entstehen bessere und gerechtere Lösungen. Und schließlich geht es auch um Schutz. Nach wie vor erleben zu viele Kinder Gewalt oder Vernachlässigung, oft auch im digitalen Raum. Hier müssen wir besser werden, Hilfe stärken und Prävention konsequenter umsetzen.

All das zeigt, dass wir einen klaren politischen Rahmen brauchen. Darum setze ich mich dafür ein, Kinderrechte endlich im Grundgesetz zu verankern. Das wäre ein deutliches Bekenntnis, dass jedes Kind in Deutschland einen Anspruch auf Förderung, Beteiligung und Schutz hat. Und das nicht nur auf dem Papier, sondern verbindlich im Kern unserer Demokratie.

Wie können Politik und Zivilgesellschaft besser zusammenarbeiten, um Kinderrechte in Deutschland zu stärken?

Josephine Ortleb: Kinderrechte gehen uns alle an. Sie sind kein Nischenthema für Expertinnen und Experten, sondern eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Politik und Zivilgesellschaft müssen dabei Hand in Hand arbeiten. Politik hat die Verantwortung, die Strukturen und Gesetze so zu gestalten, dass Kinderrechte verbindlich gesichert sind. Vom Grundgesetz bis hin zu konkreten Programmen gegen Armut oder Gewalt.

Aber Gesetze allein reichen nicht aus. Die Zivilgesellschaft bringt die Erfahrungen und Stimmen der Kinder direkt ein. Sie macht sichtbar, wo Rechte verletzt werden, und entwickelt kreative Lösungen, die Politik allein nicht hervorbringen könnte. Genau in diesem Zusammenspiel liegt die Stärke. Wenn wir einander zuhören, Erfahrungen teilen und gemeinsam handeln, entsteht echte Veränderung. Als Schirmfrau des Netzwerks Kinderrechte ist möchte ich dazu beitragen, dass wir diese Brücken bauen.

Gab es in Ihrem politischen oder persönlichen Leben einen Moment, in dem Ihnen die Bedeutung von Kinderrechten besonders bewusst wurde?

Josephine Ortleb: Es gibt viele Momente, in denen mir die Bedeutung von Kinderrechten besonders bewusst wurde. Meistens dann, wenn ich Kindern direkt begegne. Kinder sind ehrlich, neugierig und sehr klar darin, was sie brauchen. Sie stellen Fragen, die wir uns als Erwachsenen oft gar nicht mehr zu stellen trauen. Diese Klarheit ist beeindruckt mich immer wieder und sie macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Kinder eine starke Stimme haben und dass ihre Rechte nicht übergangen werden.

Ganz persönlich hat sich dieser Gedanke mit der Geburt meines Sohnes noch einmal vertieft. Seitdem sehe ich viele politische Fragen mit neuen Augen: Was bedeutet Armut für Kinder? Wie können sie ihre eigene Zukunft früh mitgestalten? Und wie stellen wir als Gesellschaft sicher, dass sie in Sicherheit aufwachsen?

Genau aus diesem Grund freue ich mich darauf, die Schirmfrauschaft zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam viel bewegen können, damit Kinderrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern im Alltag jedes Kindes spürbar werden.