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Bildungszugang für geflüchtete Kinder und Jugendliche in den Bundesländern – Ergebnisse zweier aktueller Bestandsaufnahmen

Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf (schulische) Bildung. In Deutschland vergeht jedoch für geflüchtete Kinder und Jugendliche häufig viel Zeit, bis sie nach ihrer Ankunft tatsächlich Zugang zur Regelschule oder Kindertagesbetreuung erhalten. Erkenntnisse zur Verweildauer von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und der Wartezeit bis zum Zugang zu schulbezogenen Angeboten und zur Regelschule liefern Ergebnisse der BiSKE-Pilotstudie der Universität Bremen und der Universität Duisberg Essen sowie Befragungen der Landesregierungen durch das Deutsche Kinderhilfswerk.

Dr. Johanna Funck (Universität Bremen) und Dr. Markus Ciesielski (Universität Duisburg-Essen) haben mit der Pilotstudie „BiSKE – Bildungsrechte und Schule für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen: Eine bundesweite Analyse von Verfügbarkeit und Zugang“ das Ziel, einen bundesweiten Überblick über Bildungsoptionen in Erstaufnahmeeinrichtungen für Kinder und Jugendliche zu geben. In Deutschland haben zwar alle Kinder und Jugendlichen das gleiche Recht auf Bildung, aber die Schulpflicht ist auf Länderebene unterschiedlich geregelt, sodass in einigen Ländern der Schulzugang nach zwei Monaten Wartezeit verpflichtend ist (z.B. in Bayern), diese Wartezeit in anderen Ländern aber durchaus sechs Monate betragen darf bzw. erst nach Verlassen der Aufnahmeeinrichtung passieren muss (z.B. in Baden-Württemberg). Es wurden 203 Aufnahmeeinrichtungen im gesamten Bundesgebiet, in denen Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter untergebracht sind, in telefonischen- und Mailanfragen von November 2024 bis Mai 2025 kontaktiert. Die Bildungsangebote in den Einrichtungen variieren von schulbezogenen Bildungsangeboten in den Erstaufnahmeeinrichtungen (41%), Deutschkursen (3%), Regelschulbesuchsangeboten (37%) bis zum gänzlichen Fehlen von Bildungsangeboten (19%). Die Kinder und Jugendlichen, die in Einrichtungen ohne Bildungsangebote untergebracht sind, bleiben hier oftmals sechs Monate oder länger. Weiterhin ist der Zugang zu den genannten Bildungsoptionen vielfach an Voraussetzungen wie Deutschkenntnisse, Bildungserfahrungen oder ein bestimmtes Alter geknüpft. Aus kinderrechtlicher Sicht ist dies sehr kritisch einzuschätzen, da der Zugang zu Bildung zum Teil nicht oder nur mit erheblichen Wartezeiten umgesetzt wird und Kinder und Jugendliche dafür Voraussetzungen erfüllen müssen. Die Studie erscheint voraussichtlich im September 2025.

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Tim Stegemann, Referent Kinderrechte-Index beim Deutschen Kinderhilfswerk, berichtet von den Ergebnissen von Kleinen Anfragen von Oppositionspolitiker:innen zum Bildungszugang für geflüchtete Kinder und Jugendliche in den Bundesländern. Das Deutsche Kinderhilfswerk e. V. hat vor dem Hintergrund und im Rahmen der Entwicklung des Kinderrechte-Index eine Befragung der zuständigen Landesregierungen zu verfügbaren Informationen angestoßen. Unterstützt wurde die Initiative von der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Zwischen Juli 2024 und Januar 2025 wurden in 11 Landesparlamenten kleine Anfragen eingereicht zur Beschulung und der Verweildauer von Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Kindern in Clearingverfahren. Die Ergebnisse der Befragungen des DKHW finden Sie hier.

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Ein überblicksmäßiges Monitoring scheiterte hier vielfach an fehlenden Daten. So wird die durchschnittliche Wohndauer von Kindern in Erstaufnahmeeinrichtungen bspw. in Niedersachsen, im Saarland und in Sachsen statistisch nicht erfasst. Die kürzeste durchschnittliche Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen gab Baden-Württemberg mit 1,2 Monaten an, die längste Hamburg mit knapp fünf Monaten. Eine Beschulung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter in Clearingverfahren findet oftmals erst nach Abschluss des Verfahrens statt. Das ist aus kinderrechtlicher Sicht problematisch, da die angegebenen Verweildauern über den gesetzlichen Vorgaben liegen. In vielen Landesregierungen wird davon ausgegangen, dass der Zugang zur Schule unmittelbar nach dem Verlassen der genannten Einrichtungen automatisch erfolgt – überprüft oder erfasst wird dies vielmals nicht. In allen Bundesländern gibt es Sprachlern- und Vorbereitungskurse, die Zeit bis zum Wechsel in eine Regelklasse variiert stark von einer Teilintegration in Regelklassen nach drei Monaten (Baden-Württemberg) bis zu drei Jahren bei fehlender Alphabetisierung in Schleswig-Holstein.

Fazit: Referent:innen und Teilnehmende haben hervorgehoben, dass die langen Wartezeiten auf eine Bildungsintegration kinderrechtlich und bildungspolitisch bedenklich sind. Als Handlungsbedarfe wurden formuliert, dass es mehr Abstimmung im föderalen System braucht, über Meldepflichten bspw. für unbegleitete minderjährige Geflüchtete nachgedacht werden und dass die Schulpflicht an europarechtliche Vorgaben angepasst werden sollte. Kurz gesagt: ein beschleunigter und diskriminierungsfreier Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung für alle geflüchteten Kinder und Jugendlichen.  werden voraussichtlich Ende Die BiSKE-Pilotstudie wird im Herbst diesen Jahres veröffentlicht.