Heute vor 80 Jahren war die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus in Europa. Während und nach dem Krieg sind viele Kinder und junge Menschen an den Folgen von Hunger, Kälte, Vertreibung, Gewalt und Zwangsarbeit gestorben.
In unserem Materialpaket zu Kinderrechten und Geschichte finden pädagogische Fachkräfte und Lehrer:innen verschiedene Materialien, um die Geschichte der NS-Verbrechen und des Holocausts in ihren Bildungseinheiten aufzugreifen.
Welche Kinderrechte sind beim Thema Geschichte wichtig? Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention ist das Diskriminierungsverbot von Kindern zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihrer Religion. Während des Nationalsozialismus wurden Menschen aufgrund ihrer jüdischen Religion oder ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Volk antisemitisch diskriminiert, verfolgt und ermordet. Weitere Opfer- und Verfolgtengruppen waren z.B. Roma und Sinti, Menschen mit Behinderungen, Menschen, die sich gegen das NS-Regime gewehrt haben und viele weitere.
Es gibt keine Pflicht zu erinnern, allerdings haben junge Menschen das Recht zu erfahren, was passiert ist und sich von der Geschichte ein eigenes Bild zu machen, wie es das Recht auf Information und Meinungsfreiheit in Artikel 13 der UN-Kinderrechtskonvention vorsehen. Die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte, den Traditionen und Werten ist in Artikel 29 als Bildungsziel festgeschrieben und hilft jungen Menschen dabei, eine eigene Identität im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens mit anderen zu entwickeln. Junge Menschen interessieren sich für die Verbrechen in der NS-Zeit und den Holocaust, wie die MEMO-Jugendstudie der Stiftung EVZ aus dem Jahr 2023 zeigt. Sie sehen das Engagement für Menschenrechte als Möglichkeit, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.
Bei der kind- und jugendgerechten Beschäftigung mit Geschichte ist es wichtig, sich an den Prinzipien der Jugendarbeit zu orientieren, also bspw. in der Lebens- und Alltagswelt der jungen Menschen nach thematischen Anknüpfungspunkten zu suchen. Wo finden sich Gedenk- und Erinnerungszeichen an die NS-Verbrechen im eigenen Ort? Gibt es noch lebende Zeitzeug:innen, mit denen über damals gesprochen werden kann? Um Kinder mit dem Thema NS-Verbrechen nicht zu überwältigen, eignet sich für einen Einstieg in das Thema die Beschäftigung mit Biografien, zum Beispiel über die Recherche von Stolpersteinen. Die Materialien des Landesjugendrings Brandenburg enthalten viele Ideen, um Geschichte vor der eigenen Haustür zu suchen und mit älteren Menschen über die Vergangenheit ins Gespräch zu kommen.
Die Podcastreihe Die Befreiung vom Bayerischen Rundfunk und die Autobiografie von Ruth Klüger berichten über die Zeit der Verfolgung, die Inhaftierung in Konzentrationslagern und die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges aus der Perspektive von jungen Menschen. Vision Kino stellt eine Filmliste sowie didaktische Hinweise zur Vor- und Nachbereitung bereit und eröffnet so Zugänge zum Thema über das Medium Film.
Geschichtsarbeit wie die Nachforschung in Archiven und die Konzeption von Erinnerungszeichen werden oftmals als die (alleinige) Arbeit von Historiker:innen gesehen. In der gemeinsamen Arbeit von Historiker:innen und Pädagog:innen mit jungen Menschen können auch deren Vorstellungen in die Erinnerungsarbeit vor Ort einbezogen und ihr Recht auf Beteiligung, Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention, umgesetzt werden.
Die Erinnerung an NS-Verbrechen und den Holocaust findet auch in der digitalen Welt statt. Wie wird hier erinnert? An wen wird gedacht? Welche digitalen Möglichkeiten gibt es, um die Erinnerungen von Überlebenden des NS-Lagersystems im Digitalen festzuhalten? In der Ausgabe Digital History and Memory des Magazins Lernen aus der Geschichte werden Chancen und Herausforderungen digitaler Gedenkstättenarbeit diskutiert.
Dies ist keine vollständige Aufzählung der Kinderrechte, die in der Geschichtsarbeit und dem Lernen mit, durch und über die Geschichte eine Rolle spielen, sondern eine erste Orientierung. Für engagierte pädagogische Fachkräfte und Lehrer:innen, Ehrenamtliche und vor allem junge Menschen, die sich für Geschichte interessieren, ist es oft herausfordernd, in ihrem Interesse für Geschichte ernst genommen zu werden und geeignete Zugänge zu finden. In dem Bewusstsein, dass hier kinderrechtlich argumentiert werden kann, wird dies hoffentlich zukünftig einfacher.
Das gesamte Materialpaket ist auf unserem Instagram-Kanal zu finden. Die einzelnen Materialien werden auf dem Kinderrechte-Portal vorgestellt.