Über unsUN-Kinderrechtskonvention

Evaluation der Kinderschutzrichtlinie – Ein Interview mit Jörg Lichtenberg und Kirsten Schweder

Unsere Kinderschutzrichtlinie wurde nach drei Jahren erstmals evaluiert. Denn Kinderschutz ist ein kontinuierlicher Prozess, der stetige Reflexion und Anpassung erfordert. Die Richtlinie wurden gemeinsam mit den Mitgliedern des Netzwerks evaluiert, um zu klären, wo sie bereits wirkt, was noch verbessert werden kann und welche neuen Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Im Interview berichten Jörg Lichtenberg und Kirsten Schweder, Kinderschutzbeauftragte des Netzwerks, über den Ablauf der Evaluation, die zentralen Änderungen und was die neue Fassung der Kinderschutzrichtlinie für die Praxis bedeutet.

Warum war es notwendig, die Kinderschutzrichtlinie zu evaluieren?

Als das Netzwerk Kinderrechte im September 2020 die Kinderschutzrichtlinie verabschiedet hat, haben wir uns schon damals auf die Agenda geschrieben, dass die Kinderschutzrichtlinie nach drei Jahren evaluiert werden soll. Dies steht so auch als Vorhaben in der Kinderschutzrichtlinie selbst drin.

Die Kinderschutzrichtlinie wurde damals mit schneller Feder innerhalb weniger Monate entwickelt. Es wurde dazu eine Arbeitsgruppe gegründet und wir haben sie mit Mitgliedern des Vorstands gemeinsam geschrieben. Wir haben uns schon damals vorgenommen zu prüfen, ob die Kinderschutzrichtlinie sich in der Praxis bewährt, ob wir noch etwas vergessen haben oder etwas noch präzisiert werden muss.

Gleichzeitig hat der Prozess der Evaluation dazu geführt, dass auch viele unserer Mitglieder sich wieder verstärkt mit dem Thema Kinderschutz befasst haben. Dies hat uns gefreut.

Wie wurde der Evaluationsprozess gestaltet?

Anfang 2024 haben wir beide als Kinderschutzbeauftragte, wie bei der MV im Jahr 2023 angekündigt, eine Evaluation der Kinderschutzrichtlinie initiiert.

Startschuss für die Evaluation war eine Umfrage innerhalb der Mitglieder des Netzwerks, die vom 21. März bis 15. Mai 2024 stattfand. Über 73% äußerten hier, dass auch weiterhin  ein großer Bedarf an Austausch und Vernetzung zum Thema Kinderschutz besteht. Es wurden die im Dezember 2023 angebotenen Fortbildungen positiv benannt, insbesondere die zweite, die den Fokus auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Kinderschutzkonzepten legte.

Wir haben die Mitglieder unseres Netzwerks gefragt, welche Aktivitäten und Materialien für die eigene Arbeit relevant waren. Am meisten wurde hier der Verhaltenskodex genannt, der Teil der Kinderschutzrichtlinie ist. Hervorgehoben wurden ebenfalls die Berichte der Kinderschutzbeauftragten bei den Mitgliederversammlungen, die Richtlinie selbst, der Ende 2023 veröffentlichte Beschwerde-Guide für Kinder- und Jugendliche, der Sharepoint auf der Website und die zahlreichen Materialien zum Thema Kinderrechte und Kinderschutz auf dem Kinderrechte-Portal.

In einem nächsten Schritt im Rahmen der Evaluation haben wir zu einer Online-Konsultation eingeladen. Hier konnten uns niedrigschwellig Anregungen übermittelt werden, z.B. dass bei der Definition der psychischen Gewalt man noch mehr den Fokus auf die Themen wie Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen, Rassismus, Adultismus legen könnte. Zudem wurde vorgeschlagen eine Kinderschutzrichtlinie in einfacher Sprache herauszugeben. Da die Anwesenden der Konsultation und weitere Mitglieder des Netzwerks und des Beirats, Lust hatten sich intensiver in den Prozess einzubringen, wurde zu einer Arbeitsgruppe eingeladen. 7 Personen haben sich gemeinsam mit uns zu zwei Sitzungen getroffen. Zwischen den Treffen haben wir online in einem geteilten Dokument gearbeitet und haben Aktualisierungen vorgenommen. Die evaluierte Fassung wurde dann am 26. November 2024 auf der Mitgliederversammlung in Berlin beschlossen.

Welche wesentlichen Änderungen oder Ergänzungen wurden an der Kinderschutzrichtlinie vorgenommen?

Die Ergänzungen beziehen sich insbesondere auf folgende Bereiche:

  • Die Definition von Gewalt und das Setting in dem Gewalt geschieht wurde konkretisiert. So wurden Formen der Gewalt und Diskriminierung stärker herausgearbeitet.
  • Bekanntmachung der Möglichkeiten der Beteiligung und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche gehören zum Aufgabenprofil der Kinderschutzbeauftragten. Welche Beschwerdemöglichkeiten es für Kinder und Jugendliche gibt wird in der Kinderschutzrichtlinie nun deutlicher benannt und ein Hinweis auf den oben erwähntn Beschwerde-Guide gegeben.
  • Ebenfalls wurden präventive Maßnahmen, die getroffen werden müssen, zum Beispiel bei Veranstaltungen und Workshops, deutlicher herausgearbeitet.
  • Last but not least wurde die Leitlinie, was im Krisenfall zu tun ist, geschärft. Ebenso das Vorgehen bei Hinweisen. Auch die Anlagen der Kinderschutzrichtlinie wurden aktualisiert. Zum Beispiel haben wir auf einen neuen Selbstbewertungsbogen hingewiesen, den ECPAT Deutschland e.V. auf Basis verschiedener Fragebögen zusammengestellt hat. Dieser ist auf den deutschsprachigen Kontext und auf eine möglichst breite Anwendungsbasis ausgerichtet. Teilnehmende erhalten hier durch die Beantwortung des Fragebogens eine Einschätzung zu dem aktuellen Umsetzungsstand von Kinderschutzmaßnahmen innerhalb der eigenen Organisation. Zudem dient die Selbstbewertung als Ausgangspunkt für die (Weiter-)Entwicklung von Kinderschutzkonzepten und Richtlinien. Das hat auch uns bei der Evaluation sehr geholfen.

Was bedeutet die neue Kinderschutzrichtlinie für die Praxis innerhalb des Netzwerks?

Die neue Kinderschutzrichtlinie bedeutet für die Praxis innerhalb unseres Netzwerks zunächst, dass wir die upgedatete Version in unserem Netzwerk bekannt machen wollen. Dies geschieht zum einen über dieses Interview, die Bekanntmachung im Newsletter, über im Jahr 2025 geplante Vernetzungstreffen und interne Fortbildungen für (neue) Mitarbeiter:innen. Aber nach der Evaluation ist vor der Evaluation… In drei Jahren, Ende 2027, steht die nächste Evaluation an. Auch hierfür werden wir frühzeitig Feedback bei unseren Mitgliedern sammeln. Das erste haben wir bereits bekommen.

Als wir im Jahr 2021 eine Mitgliederbefragung initiiert haben, erreichte und dieses Zitat: ,,Eine Kinderschutzrichtlinie ist nicht mehr wegzudenken. Sie hat insbesondere einen präventiven positiven Einfluss auf viele Bereiche unserer Organisation.” Das wünschen wir uns für unsere Kinderschutzrichtline auch.

Jörg Lichtenberg und Kirsten Schweder

 

Hier finden Sie unsere neue Kinderschutzrichtlinie.