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Bianka Pergande als Sprecherin wiedergewählt

Bianka Pergande wurde vor 1,5 Jahren zur Sprecherin gewählt. Am 27. September 2022 hat die Mitgliederversammlung ihr erneut das Vertrauen ausgesprochen und sie für die kommenden drei Jahre als Sprecherin des Ntezwreks Kinderrechte gewählt. Im Interview reden wir mit ihr über ihre Motivation und ihren Einsatz für Kinderrechte.

Die National Coalition setzt sich seit 1995 beharrlich für die Verwirklichung der Kinderrechte ein und fordert in diesem Zusammenhang auch ihre Bekanntmachung. Umfragen belegen immer wieder, dass viele Kinder und Erwachsene die UN-Kinderrechtskonvention nicht kennen. Wann, in welcher Situation sind dir die Kinderrechte das erste Mal begegnet?

In meiner eigenen Kindheit war von Kinderrechten nie die Rede, sondern eher von Pflichten im Gegensatz zu „etwas dürfen“. Ich erinnere mich zum Beispiel an meine Kita-Zeit: Mittags mussten alle Kinder schlafen, niemand durfte sich bewegen oder gar aufstehen, Essen musste probiert und am besten aufgegessen werden, zu trinken gab es erst danach. In der Schule waren Leistungsdruck und das Bloßstellen von Kindern durch Lehrkräfte an der Tagesordnung, es gab Mobbing, Ausgrenzung und auch physische Gewalt unter Kindern, wogegen niemand einschritt. Der Meinung von Kindern wurde eigentlich keine besondere Beachtung geschenkt. Mir ist erst viele Jahre später klar geworden, dass es sich dabei einfach um Verstöße gegen Kinderrechte gehandelt hat, und dass viele Menschen Ähnliches in ihrer Kindheit erlebt haben. Zu den Kindheiten der meisten Menschen gehören aber auch immer Erwachsene, die ihrer Verantwortung sehr gut gerecht geworden sind, die sich für das Wohl und die Interessen des Kindes eingesetzt und die Meinung des Kindes berücksichtigt haben. Mein Antrieb ist, dass es nicht dem Zufall oder dem guten Willen einzelner Erwachsener überlassen bleibt, ob das beste Interesse eines Kindes vorrangig berücksichtigt wird oder nicht, sondern dass die Umsetzung der Kinderrechte endlich für alle Kinder Realität wird.

Heute setzt du dich hauptamtlich für die Rechte von Kindern ein. Was genau ist deine Tätigkeit beim Kinderrechteforum bzw. bei der Deutschen Liga für das Kind? Wie sehen typische Arbeitstage aus?

Als Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind bin ich verantwortlich für alle operativen und alltäglichen Belange des Vereins, für unsere fachliche und fachpolitische Arbeit, Kooperationen und alle Projekte. Die Liga setzt sich für die Rechte und das Wohlergeben besonders der jungen Kinder von 0 bis 6 Jahren ein. Ich habe das Glück, mit Menschen in unserem Team und im Vorstand zusammenzuarbeiten, die ich fachlich und persönlich als sehr schätze. Wir sind eine kleine Organisation, daher bin ich an der Umsetzung von Projekten häufig auch selbst direkt beteiligt und freue mich immer, wenn ich mit Workshops, Fortbildungen oder Vorträgen im Kontakt mit Personen aus der Fachpraxis bin. Diese Nähe zu Kitas, Krippen, Horten oder Kindertagespflegestellen ist für mich von großem Wert, weil die Liga dadurch auch dicht an den alltäglichen Lebenswelten von jungen Kindern bleibt.

Seit 1 1/2 Jahren bist du bereits Sprecherin des Netzwerk Kinderrechte. Was waren deine ganz persönlichen Highlights bisher?

In diese Zeit fällt die letzte Etappe des Staatenberichtszyklus, das mit den Abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an die Bundesregierung nun erstmal einen Abschluss gefunden hat. Ein persönliches Highlight war in diesem Prozess die Anhörung der Bundesregierung vor dem Kinderrechte-Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf. In diesen Sitzungen gab es viele kritische Nachfragen seitens der Ausschussmitglieder. Wir werden im nun bevorstehenden „Follow-up“-Prozess schauen, wie die Empfehlungen zukünftig umgesetzt werden, und was an neuen Herausforderungen angesichts multipler Krisen noch hinzukommt.

Welche Kinderrechte liegen dir besonders am Herzen?

Für mich ist das deshalb eine besonders schwierige Frage, weil es ja genau darauf ankommt, dass die Kinderrechte zusammen und ungeteilt wirksam werden. Ich erlebe immer wieder, dass gerade in schwierigen Situationen einzelne Kinderrechte gegeneinander ausgespielt werden. Mit Blick auf junge Kinder kommt es zum Beispiel häufig vor, dass Schutzrechten gegenüber Partizipationsrechten ein höheres Gewicht eingeräumt wird. Dann kann es zu Fehleinschätzungen von Situationen kommen, wenn zum Beispiel die Bestimmung des Kindeswohls über den Kopf des Kindes hinweg ohne Berücksichtigung seiner Perspektive geschieht, oder aber zu wohlgemeinten, jedoch voreiligen und überflüssigen Eingriffen in die Selbstbestimmung des Kindes. Am Beispiel der empirischen Kita-Qualitätsforschung etwa kann man aber sehen, dass die Gewährleistung der Rechte einander gegenseitig bedingen: Partizipations-, Förder- und Schutzrechte hängen direkt voneinander ab und stärken einander.

Pünktlich zu Beginn deiner Amtszeit als Sprecher:in hat der UN-Ausschuss die Abschließenden Bemerkungen zum 5. und 6. Staatenbericht herausgegeben. Ein besseres Timing kann es nicht geben. Welche dieser Hausaufgaben des UN-Ausschuss sollten aus deiner Sicht mit besonderer Priorität umgesetzt werden?

Die Empfehlungen des UN-Ausschusses sind nicht nur zahlreich, sondern haben teilweise auch eine unterschiedliche „Flughöhe“. Ich denke, wenn grundlegende Empfehlungen endlich umgesetzt werden, zum Beispiel die Einführung der Kinderrechte ins Grundgesetz einschließlich einer vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Fragen, die Kinder betreffen, dann kommen wir schon einen Riesenschritt weiter. Das würde helfen, eine kinderrechtsbasierte öffentliche Haushaltsplanung durchzusetzen, eine Lastenverschiebung auf die Schultern von Kindern und künftigen Generationen durch Staatsverschuldung oder Klimawandel zu erschweren, endlich kindgerechte Beschwerdemöglichkeiten zu etablieren, oder die Ursachen von Diskriminierung und Kinderarmut tatsächlich zu bekämpfen.