Ein gemeinsamer Aufruf zum Handeln für das jährliche full-day meeting des UN-Menschenrechtsrates zu den Rechten des Kindes im Juni 2020.
„Wir brauchen keine Hoffnung, wir brauchen Taten. Die Maßnahmen, die die Staats- und Regierungschefs der Welt heute ergreifen, werden sie und ihr Vermächtnis in der Zukunft definieren. Kinder und zukünftige Generationen beobachten sie.”
[Botschaft an die Staats- und Regierungschefs der Welt, erhalten von einem Kind in der Online-Umfrage der Children´s Environmental Rights Initiative 2020.]
In einer Zeit, in der sich die Welt in einer großen Gesundheitskrise befindet und die Rechte der Kinder aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie weltweit schwere Rückschläge erleiden, darf der Umweltnotstand trotzdem nicht außer Acht gelassen werden, der die Rechte und Zukunftsaussichten der Kinder überall auf der Welt beeinträchtigt.
Jedes Jahr verlieren mehr als 1,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren ihr Leben durch vermeidbare Umweltzerstörung, während weitere Millionen an Krankheiten, Behinderungen und anderen Schäden leiden, zum Teil mit lebenslangen Auswirkungen. Die Rechte von Kindern sind bedroht durch unzureichende staatliche Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise, einen beispiellosen Verlust an biologischer Vielfalt, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Belastung durch giftige Substanzen und Abfälle sowie die weit verbreitete Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden. Negative Auswirkungen treten bei vulnerablen Gruppen wie zum Beispiel Mädchen, Kindern in Armut, indigenen Kindern und Kindern mit Behinderungen überproportional auf, da sie oft mehrerenRisiken ausgesetzt sind und das Prinzip der Nichtdiskriminierung nicht eingehalten wird.
Vor diesem Hintergrund fordern Millionen von Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt dringendere und ehrgeizigere Maßnahmen, um die Ursachen und Auswirkungen der globalen Umweltkrise zu bekämpfen.
Bei der jährlichen ganztägigen Sitzung über die Rechte des Kindes sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Stimmen der Kinder nicht nur gehört werden, sondern ihre Forderungen auch umgesetzt werden. Die Mitgliedsstaaten sollen die Rechte und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt ehrgeiziger und konkreter Umweltmaßnahmen und -politiken stellen, einschließlich der Anerkennung eines Menschenrechts auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Die Zeit ist reif für Taten.
Empfehlungen
1) Stellen Sie die Rechte der Kinder in den Mittelpunkt der Umweltpolitik und des Umweltschutzes
Ein allgemeines mangelndes Bewusstsein für die vielen Zusammenhänge zwischen einer sicheren und gesunden Umwelt einerseits und den Rechten der Kinder andererseits in Verbindung mit einem schwachen politischen Willen stellen grundlegende Hindernisse für die Achtung, den Schutz und die Umsetzung der Kinderrechte im Kontext von Umweltmaßnahmen dar. Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (UNKRK) bietet einen klaren normativen Rahmen für die Verwirklichung der Rechte von Kindern durch eine gesunde Umwelt. Die Berücksichtigung des Vertrags fehlt jedoch weitgehend in umwelt- oder klimabezogenen Richtlinien, Gesetzen und Maßnahmen. Wir fordern die Staaten auf:
- Achten, schützen und erfüllen Sie die Rechte von Kindern bei der Annahme und Umsetzung umweltbezogener Vereinbarungen, Richtlinien und Maßnahmen zur Bekämpfung von Umweltschäden, einschließlich dem Verlust der biologischen Vielfalt und Zerstörung von Ökosystemen, Umweltverschmutzung, Belastung mit gefährlichen Stoffen und Abfällen sowie dem Klimawandel. Sie müssen durch Vorsichts- und Präventivmaßnahmen untermauert werden. Besondere Aufmerksamkeit muss den am stärksten ausgegrenzten und schutzbedürftigen Kindern gewidmet werden und öffentliche Mittel – einschließlich regionaler und internationaler Entwicklungshilfe – müssen mobilisiert und entsprechend zugewiesen werden.
- Regulieren Sie Unternehmen angemessen, um sicherzustellen, dass sie alle geltenden Umweltgesetze und den Allgemeinen Kommentar Nr. 16 des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes einhalten, einschließlich der obligatorischen Sorgfaltspflicht für Kinderrechte und Umweltverträglichkeitsprüfungen, um ihre Umweltauswirkungen auf Kinderrechte zu identifizieren, zu verhindern und zu mindern, auch in ihren Lieferketten und innerhalb globaler Betriebe.
- Unterstützen Sie und beteiligen Sie sich konstruktiv an der Weiterentwicklung maßgeblicher Leitlinien zu Kinderrechten und Umwelt, einschließlich eines künftigen Allgemeinen Kommentars zu Kinderrechten und Umwelt (General Comment on Child Rights and the Environment), der vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ausgearbeitet und angenommen werden soll.
2) Das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkennen
Das Recht auf eine gesunde Umwelt sollte von den Vereinten Nationen so bald wie möglich offiziell anerkannt werden. Ein solcher Schritt wäre von besonderer Bedeutung sowohl für Kinder als auch für künftige Generationen, die einen überproportionalen Anteil an der Belastung durch Umweltschäden tragen. Es steht außer Frage, dass Kinder vollständig von der natürlichen Umgebung abhängig sind, um ein würdiges, gesundes und erfülltes Leben zu führen. Das schließt ein sicheres Klima, saubere Luft, sauberes Wasser und angemessene sanitäre Einrichtungen, gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel, ungiftige Lern- und Spielumgebungen sowie gesunde Artenvielfalten und Ökosysteme ein. Wir fordern die Staaten auf:
- Unterstützen Sie die formelle Anerkennung des Menschenrechts auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt durch die Vereinten Nationen.
3) Schutz und Unterstützung von Kindern, die sich als Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen für die Umwelt einsetzen
In zu vielen Fällen bleiben die Ansichten, Rechte und Interessen von Kindern bei Entscheidungen über die Umwelt völlig ungehört, was zu nachteiligen Ergebnissen für ihrWohlergehen und ihre Entwicklung führt. Darüber hinaus sind Kinder beim Handeln und Sprechen in Umweltfragen häufig Herablassung, Einschüchterung, Belästigung, Repressalien und sogar Gewalt durch Behörden oder Unternehmen ausgesetzt. Kinder in all ihrer Vielfalt müssen befähigt werden, ihr Recht auf eine gesunde, sichere und nachhaltige Umwelt zu verteidigen. Wir fordern die Staaten auf:
- Ergreifen Sie konkrete Maßnahmen zum Schutz der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigung und friedliche Versammlung von Kindern, die sich als Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen für die Umwelt einsetzen, auch online. Schaffen Sie ein sicheres Umfeld für Initiativen junger Menschen und Kinder zur Verteidigung der Menschenrechte in Bezug auf die Umwelt durch die Förderung einer positiven Berichterstattung über ihre Aktivitäten. Achten Sie besonders auf die Rechte von Mädchen und jungen Frauen, die die Umwelt verteidigen.
- Sensibilisieren Sie Kinder für Umweltprobleme und stärken Sie ihren Respekt für die natürliche Umwelt und ihre Fähigkeit, auf Umweltprobleme in allen Bildungsphasen zu reagieren. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von alters- und geschlechtsspezifischen Informationen über die Auswirkungen von Umweltschäden.
- Erleichtern Sie die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungen über die Umwelt, mit besonderem Schwerpunkt auf der Wahrung des Rechts der Kinder auf Gehör, auch ab einem jungen Alter, und stellen Sie sicher, dass ihre Ansichten in allen umweltbezogenen Vorgängen angemessen berücksichtigt werden.
- Stellen Sie sicher, dass Kinder durch kinderfreundliche Beschwerdemechanismen auf allen Ebenen Zugang zur Justiz haben, einschließlich der Ratifizierung des Fakultativprotokolls zur Kinderrechtskonvention über das Individualbeschwerdeverfahren. Dazu gehören auch wirksame Rechtsmittel und Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Umweltschäden wie z. B. den Klimawandel und die Belastung durch giftige Substanzen und Umweltverschmutzung.
4) Die Klimakrise angehen
Die Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise. Dennoch erwähnen nur 20 Prozent der nationalen Klimaprogramme Kinder und nur 2 Prozent von ihnen beziehen sich auf Kinderrechte. Wir fordern die Staaten auf, die Intergovernmental Declaration on Children, Youth, and Climate Action anzunehmen und die folgenden Verpflichtungen umzusetzen:
- Ergreifen Sie die erforderlichen und transformativen Maßnahmen, , um den globalen Temperaturanstieg im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und gemäß dem Pariser Abkommen auf 1,5 ° C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies beinhaltet den raschen Ersatz fossiler Brennstoffe durch Projekte, die Rechte respektieren und erneuerbare Energien fördern, um Emissionen zu reduzieren sowie eine dringende Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, die Abfälle und Umweltverschmutzungen erheblich reduziert.
- Achten, schützen und erfüllen Sie die spezifischen Rechte von Kindern und Jugendlichen bei der Umsetzung des Pariser Übereinkommens auf allen Ebenen, einschließlich gezielter Maßnahmen in den national festgelegten Beiträgen der Länder, nationalen Anpassungsplänen und langfristigen Strategien zur Entwicklung kohlenstoffarmer Emissionen.
- Vergrößern und beschleunigen Sie dringend die Investitionen in Maßnahmen, die Anpassungen zum Wohl der Kinder vorantreiben, in Maßnahmen zur Reduzierung des Katastrophenrisikos und in Mitigationsmaßnahmen, unter besonderer Berücksichtigung marginalisierter Kinder.
5) Beenden Sie die Belastung von Kindern durch Umweltverschmutzung und giftige Substanzen
Das Versäumnis der Regierung, die Belastung durch Verschmutzung, giftige Substanzen und Abfälle zu bekämpfen, verstößt eindeutig gegen eine Vielzahl von Kinderrechten. Kinder werden „vorverschmutzt“ geboren. Aufgrund ihrer extrem und einzigartig empfindlichen Entwicklungsphasen sind sie nicht nur Opfer einer sofort sichtbaren Vergiftung, sondern leiden auch unter latenten Auswirkungen einer chronischen Belastung durch Umweltverschmutzung, gefährliche Chemikalien und giftige Abfälle, die im späteren Leben zu Krankheiten, Behinderungen und einer höheren Kindersterblichkeit führen. Wir fordern die Staaten auf:
- Wahren Sie Ihre Pflicht, die Belastung von Kindern durch Umweltverschmutzung und giftige Chemikalien als Teil der Verpflichtung der Staaten zum Schutz von Kindern zu verhindern. Stellen Sie sicher, dass dies in Gesetzen und Richtlinien zum Ausdruck kommt, die auf dem Wohl des Kindes beruhen, ebenso in unternehmerischen Aktivitäten.
6) Stellen Sie eine gerechte und umweltfreundliche Erholung von COVID-19 sicher und ergreifen Sie die notwendigen Maßnahmen, um zukünftige Pandemien zu verhindern
Umweltzerstörung ist eine der Hauptursachen für zoonotische Krankheiten wie COVID-19, die bis heute mehr als 475.000 Todesfälle verursacht und Kindern unermessliches Leid zugefügt hat. Staaten haben jetzt eine beispiellose Gelegenheit, Transformationspläne zum Schutz der Kinder und der Umwelt umzusetzen und gleichzeitig die Ursachen des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt, der toxischen Verschmutzung und der Zoonosekrankheiten anzugehen. Kinder brauchen Zugang zu Wissen und Kompetenzen, die ihnen beim Zugang zu menschenwürdigen Arbeitsplätzen in einer grünen Wirtschaft helfen – unter anderem durch die Bekämpfung diskriminierender Geschlechtsnormen, die Mädchen und junge Frauen daran hindern, Zugang zu MINT-Bildung und Arbeitsplätzen zu erhalten. Wir fordern die Staaten auf:
- Fokussieren Sie Wiederaufbaupläne und Investitionen auf die Erfüllung der Kinderrechte durch „building back better“, um eine gerechte, gesunde und nachhaltige Zukunft zu erreichen. Beschleunigen Sie die Bemühungen, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Abkommen zu erreichen.
- Stärken Sie Umweltvorschriften und -schutzmaßnahmen statt sie zu schwächen, einschließlich der Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen.
- Verbessern Sie den Zugang zu transformativen grünen Kompetenzen für Kinder und Jugendliche und stellen Sie dabei sicher, dass diese Bemühungen Mädchen und junge Frauen durch formale und non-formale Bildung und Ausbildung erreichen.
7) Stärkung der Überwachung und Berichterstattung über die Rechte von Kindern und die Umwelt
Die Überwachung und Berichterstattung über die Auswirkungen von Umweltschäden auf die Rechte von Kindern sowie die Fortschritte bei der Erfüllung der Rechte von Kindern in diesem Zusammenhang sind von wesentlicher Bedeutung, um das Bewusstsein zu schärfen und wirksamere und gezieltere Strategien und Maßnahmen zu unterstützen. Wir fordern die Staaten auf:
- Stärken Sie das Monitoring der Umweltrechte von Kindern (z. B. Beobachtung der Umweltbelastungen während der Kindheit und nachteilige Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit), veröffentlichen und verbreiten Sie die Ergebnisse nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt.
- Berücksichtigen Sie die Auswirkungen von Umweltschäden auf die uneingeschränkte Wahrnehmung der Rechte von Kindern in ihren regelmäßigen Berichten an den Ausschuss für die Rechte des Kindes, ihren nationalen Berichten im Rahmen des Universal Periodic Review, sowie in ihrer Berichterstattung im Rahmen der Umweltrahmen und der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals).
Diese Übersetzung aus dem Englischen wurde von der National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention erstellt und ist nicht autorisiert. Maßgebend ist das englische Original.