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Dokumentation der online Fachveranstaltung „Kinderrechte verteidigen! Europäische Strategien gegen rechtspopulistische und rechtsextremistische Narrative und Angriffe auf die Zivilgesellschaft“

English translation below 

Am 27. November 2025 fand die alljährliche gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe – AGJ und der National Coalition Germany – Netzwerk zur Umsetzung der Kinderrechte (NC) zum Thema „Kinderrechte verteidigen! Europäische Strategien gegen rechtspopulistische und rechtsextremistische Narrative und Angriffe auf die Zivilgesellschaft“ statt. Als Partnernetzwerke der europäischen Kinderrechtsorganisation Eurochild arbeiten die AGJ und die NC eng zusammen. Mit dem gewählten Thema zeigte sich ein großes Interesse und ein deutlicher Bedarf in der Fachöffentlichkeit. Rund 100 Teilnehmende, darunter Vertreter:innen einschlägiger zivilgesellschaftlicher Organisationen, Interessierte aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung sowie Mitglieder des Bundestages, nahmen an der Veranstaltung teil.

Im ersten Teil der Veranstaltung, der sich auf die Analyse aktueller Herausforderungen konzentrierte, referierte Lea Lochau (Fachreferentin für Bedrohungsmanagement, Fachstelle Gender und Rechtsextremismus Amadeu Antonio Stiftung) zu Diskursen und Strategien eines rechtsextremen Kulturkampfes und der darin zunehmenden enthaltenen Instrumentalisierung von Kinderschutz. Sie zeigte auf, wie extrem rechte Akteure sich auf scheinbar Kinderschutzthemen berufen, um diskriminierende und antidemokratische Narrative anschlussfähig zu machen, indem sie etwa queer-feindliche und rassistische Bedrohungsszenarien konstruierten. Sie hob zudem die Gegenüberstellung von Elternrechten und Kinderrechten als typische rechtsextreme Strategie hervor, um Beteiligungs- und Selbstbestimmungsrechte von Kindern zu delegitimieren. Zudem schilderte sie die systematischen Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen, die durch parlamentarische Anfragen, mediale Kampagnen und diffamierende Narrative zunehmend unter Druck gesetzt würden.

Im Anschluss analysierte Mieke Schuurman (Direktorin für Kinderrechte und Kapazitätsaufbau Eurochild) die zunehmenden europäischen Anti-Rights-Bewegungen und ihre Auswirkungen auf Kinderrechte. Sie betonte, dass europaweit ein erstarktes Netzwerk von Akteuren sichtbar werde, die gezielt progressive Kinder- und Menschenrechts-Akteur:innen und Bestrebungen angriffen, etwa indem notwendige gesetzliche oder politische Maßnahmen zur Stärkung von Kinderrechten ausgebremst, verhindert oder rückgängig gemacht werden. Als Beispiel führte sie das ungarische Gesetz an, das Kindern den Zugang zu Informationen zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität verwehrt und gegen das auf EU-Ebene ein Rechtsverfahren läuft. Schuurman hob hervor, dass solche Entwicklungen grenzüberschreitend wirkten und die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in ganz Europa bedrohten. Sie erläuterte, dass diese Angriffe sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgingen, die auf nationaler und europäischer Ebene konservative Initiativen vorantreiben, sich unter dem Banner des Schutzes von Familie und traditionellen Werten versammeln und dabei behaupten, eine stärkere Betonung der Autonomie von Kindern untergrabe die Rechte der Eltern und die Integrität der Familie. Unterstützt werden diese Narrative von bekannten öffentlichen Persönlichkeiten, die ihnen zusätzliche Akzeptanz und Legitimität verschaffen. Zugleich geraten Menschenrechtsverteidiger:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen wegen ihres Engagements für Kinderrechte unter Druck – durch Desinformationskampagnen, rechtliche Verfahren, (Online-)Drohungen und einen gezielten Rückschlag gegen die Finanzierung ihrer Arbeit. Die Angriffe richten sich dabei nicht nur gegen Organisationen, sondern auch unmittelbar gegen Kinder: Kinder, die öffentlich für ihre Rechte eintreten, werden unterbrochen, verspottet, beleidigt oder bedroht, und besonders schutzbedürftige Gruppen wie unbegleitete minderjährige Geflüchtete geraten gezielt in den Fokus von Stigmatisierung und politischen Maßnahmen. Insgesamt, so Schuurman, zeigt sich in Europa ein Klima wachsender Angriffe auf demokratische Strukturen, eines schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraums und eines deutlichen Rückschritts bei universellen Menschenrechten – einschließlich der Kinderrechte.

Im zweiten Teil der Veranstaltung, der Reaktionen und Strategien europäischer Institutionen in dem Blick nahm, berichtete H.E. Marie-Louise Coleiro Preca (frühere Beraterin der Europäischen Kommission und ehemalige Präsidentin von Malta und Eurochild) von dem Vorhaben der Europäischen Kommission zum Aufbau einer Europäischen Beobachtungsstelle für Kinderrechte. Sie teilte die Beobachtung, dass man sich mit Blick auf die Umsetzung der Kinderrechte in Europa nicht mehr auf dem Weg einer kontinuierlichen Verbesserung befinde, sondern deutliche Rückschritte in allen Ländern zu beobachten seien. Kinderrechte werden als ideologisch statt als universell dargestellt. Sie betonte vor diesem Hintergrund, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Europäischen Verteidigung der Kinderrechte. Europa benötige hierfür dringend ein strukturiertes, unabhängiges Monitoring, um Entwicklungen systematisch zu verfolgen, Unterschiede zwischen den Staaten sichtbar zu machen und politische Entscheidungsträger:innen evidenzbasiert zu beraten. Die geplante Beobachtungsstelle solle zukünftig Daten sammeln, Trends analysieren, Harmonisierung fördern und zur Stärkung kinderrechtlicher Standards beitragen.

An den Beitrag von H.E. Coleiro Preca anknüpfend erläuterte Marius Schlageter (Jugendabteilung des Europarats) in einem weiteren Impuls, wie junge Menschen und ihre Organisationen in Europa gestärkt werden können und welche Instrumente dem Europarat hierfür zur Verfügung stehen. Er hob die Bedeutung sicherer Räume, verlässlicher Finanzierung und internationaler Vernetzung besonders für junge Zivilgesellschaft hervor. Zugleich wies er auf den Rückgang geschützter Räume und die wachsende Bedrohung junger Aktivist:innen in vielen Ländern hin. Er machte deutlich, dass eine starke Zivilgesellschaft unverzichtbar sei, wenn es darum ginge demokratische Beteiligung und Kinderrechte langfristig zu sichern.

Im dritten Teil der Veranstaltung wurden im gemeinsamen Gespräch der vier eingeladenen Sprecher:innen Strategien erörtert, wie Kinderrechte in einem zunehmend von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Diskursen und Narrativen geprägten gesellschaftlichen Klima verteidigt werden könnten. Marie-Louise Coleiro Preca hob erneut hervor, dass wir uns im Bereich der Kinderrechte eingestehen müssen, dass wir eher Rückschritte gemacht haben als Fortschritte. Sie verwies auf die UN-Kinderrechtskonvention als wichtigen Bezugspunkt und bedauerte, dass deren Umsetzung hinter den Erwartungen zurückbliebe. Sie unterstrich die Notwendigkeit der Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle für Kinderrechte. Die Umsetzung erfordere trotz der Unterstützung des Kommissars, Glenn Micallef, weiterhin politischen Druck und auch die Zusammenarbeit zwischen europäischen Institutionen, sei aber machbar. Mieke Schuurman ergänzte, dass strategische Klagen gegen Staaten, wie die Verfahren gegen Ungarn wegen Einschränkungen bei sexueller Aufklärung und LGBTQI+-Rechten, wirksame Instrumente seien. Sie wies zudem auf global verbreitete Anti-Rechte-Narrative hin, die Kinderrechte gegen Elternrechte ausspielen. Gleichzeitig gebe es positive Signale durch UN-Empfehlungen und Unterstützung von Menschenrechtsbeauftragten, die man aufgreifen könne. Lea Lochau hob die Wirksamkeit rechtsextremer Narrative hervor, die öffentliche Debatten durch Agenda-Setting erfolgreich verschoben und Organisationen gezielt angriffen, um kulturelle und politische Hegemonie zu sichern. Als Beispiel nannte sie die Amadeu Antonio Stiftung, die durch parlamentarische Anfragen und Anträge der AfD in ihrer Arbeit eingeschränkt werde. Doch es gebe auch Rückhalt durch demokratische Parteien, der von großer Bedeutung sei. Marius Schlageter betonte auf europäischer Ebene die Notwendigkeit struktureller Unterstützung für Jugendorganisationen, einschließlich finanzieller Mittel, sicherer Arbeitsräume und Förderung zivilgesellschaftlicher Beteiligung, um jungen Aktivist:innen Schutz zu bieten.

Abschließend wurde die Rolle der Kinder selbst diskutiert: Sie sollten aktiv in die Verteidigung ihrer Rechte eingebunden werden, z. B. über Kinder- und Jugendräte, wobei Schutzmaßnahmen notwendig seien, da sie teilweise durch extrem rechte Narrative beeinflusst werden könnten. Insgesamt unterstrich die Diskussion, dass eine wirksame Verteidigung von Kinderrechten eine Kombination aus rechtlichen Instrumenten, institutioneller Unterstützung, Stärkung der Zivilgesellschaft und Partizipation von Kindern erfordert. In der Publikumsrunde wurden konkrete Herausforderungen aus der Praxis angesprochen, darunter Mittelkürzungen in der Jugendhilfe, der Umgang mit diskriminierenden Aussagen in pädagogischen Einrichtungen sowie die zunehmende Belastung zivilgesellschaftlicher Organisationen durch extrem rechte Kampagnen. Die Anwesenden betonten die Bedeutung von Fachlichkeit, Solidarität und klaren demokratischen Positionierungen.

Insgesamt machte die Veranstaltung sowohl deutlich, welche destruktiven Folgen die Schwächung demokratischer Strukturen und der Zivilgesellschaft haben als auch, welche Strategien zur Stärkung von Kinderrechten und Zivilgesellschaft gemeinsam (weiter)verfolgt werden müssen. Hierzu zählt die Sichtbarmachung von Solidarität, die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit sowie sorgfältige Dokumentation und Monitoring von Angriffen. Schutzräume für junge Menschen und engagierte zivilgesellschaftliche Akteur:innen seien zentral, wobei ausreichende finanzielle Förderung entscheidend für ihre Handlungsfähigkeit sei. Als besonders wichtig wurde im Rahmen der Veranstaltung auch die übernationale Vernetzung und Kooperation angesehen, um transnationale Zusammenhänge rechter Diskurse und Narrative sichtbar zu machen und gemeinsam zu adressieren. Die Veranstaltung schloss zudem mit einem eindringlichen Appell an die anwesenden Bundestagsabgeordneten von Grünen und CDU, wie wichtig die Förderung und konsequente Umsetzung der Kinderrechte ist.

 

 

Documentation of the Online Expert Event “Defending Children’s Rights! European Strategies Against Right-Wing Populist and Right-Wing Extremist Narratives and Attacks on Civil Society”

On 27 November 2025, the annual joint event of the Working Group for Youth Welfare – AGJ and the National Coalition Germany – Network for the Implementation of the UN Convention on the Rights of the Child (NC) took place under the title “Defending Children’s Rights! European Strategies Against Right-Wing Populist and Right-Wing Extremist Narratives and Attacks on Civil Society”. As partner networks of the European children’s rights organisation Eurochild, the AGJ and NC work closely together. The chosen topic attracted strong interest and showed a clear need within the professional community. Around 100 participants, including representatives of relevant civil society organisations, as well as experts from academia, practice and public administration, and members of the German Bundestag, took part in the event.

In the first part of the event, which focused on analysing current challenges, Lea Lochau (specialist for threat management, Gender and Right-Wing Extremism Unit at the Amadeu Antonio Foundation) gave a presentation on the discourses and strategies of a right-wing extremist culture war and the increasing instrumentalisation of child protection within it. She demonstrated how far-right actors invoke seemingly child-protection-related topics in order to make discriminatory and anti-democratic narratives more socially acceptable, for example by constructing anti-queer and racist threat scenarios. She also highlighted the framing of parental rights against children’s rights as a typical far-right strategy aimed at delegitimising children’s participation and self-determination rights. Furthermore, she described the systematic attacks on civil society organisations, which are increasingly put under pressure through parliamentary inquiries, media campaigns and defamatory narratives.

Following this, Mieke Schuurman (Director for Children’s Rights and Capacity Building Eurochild) analysed the growing European anti-rights movements and their impact on children’s rights. She emphasised that a strengthening network of actors across Europe is increasingly targeting progressive child and human rights initiatives, for example by slowing down, obstructing or reversing necessary legal and political measures to strengthen children’s rights. As an example, she pointed to the Hungarian law that denies children access to information on sexual orientation and gender identity, and which is currently the subject of EU legal proceedings. Schuurman stressed that such developments have cross-border effects and threaten the implementation of the UN Convention on the Rights of the Child across Europe. She explained that these attacks emanate from both state and non-state actors, who promote conservative initiatives at national and European levels, gathering under the banner of protecting the family and traditional values, while arguing that an emphasis on children’s autonomy undermines parental rights and family integrity. These narratives gain additional acceptance and legitimacy through support from well-known public figures. At the same time, human rights defenders and civil society organisations face increasing pressure due to their engagement for children’s rights – including disinformation campaigns, legal proceedings, (online) threats and targeted backlash against their funding. The attacks are not only directed at organisations but also directly at children: children who publicly advocate for their rights are interrupted, mocked, insulted or threatened, and particularly vulnerable groups such as unaccompanied minor asylum seekers are targeted by stigmatisation and political measures. Overall, Schuurman described a European climate marked by growing attacks on democratic structures, shrinking civil society space and a significant backlash against universal human rights, including children’s rights.

In the second part of the event, which focused on responses and strategies of European institutions, H.E. Marie-Louise Coleiro Preca (former advisor to the European Commission, former President of Malta and Eurochild) presented the European Commission’s plan to establish a European Observatory on Children’s Rights. She noted that with regard to the implementation of children’s rights in Europe, we can no longer assume continuous progress; instead, clear setbacks can be observed in all countries. Children’s rights are framed as ideological rather than universal. Against this backdrop, she stressed the need for a joint European defence of children’s rights. Europe urgently requires structured, independent monitoring in order to systematically track developments, reveal differences between states and provide evidence-based advice to policymakers. The planned observatory is intended to collect data, analyse trends, promote harmonisation and contribute to strengthening children’s rights standards.

Building on H.E. Coleiro Preca’s contribution, Marius Schlageter (Youth Department of the Council of Europe) outlined in another input how young people and their organisations in Europe can be strengthened, and which instruments the Council of Europe can provide. He highlighted the importance of safe spaces, reliable funding and international networking, particularly for young civil society. At the same time, he pointed to the declining availability of safe spaces and the growing threats faced by young activists in many countries. He stressed that a strong civil society is indispensable for securing democratic participation and children’s rights in the long term.

In the third part of the event, the four invited speakers discussed strategies for defending children’s rights in a social climate increasingly shaped by right-wing populist and right-wing extremist discourse and narratives. H.E. Marie-Louise Coleiro Preca emphasised that in the field of children’s rights we must acknowledge that we have taken more steps backward than forward. She referred to the UN Convention on the Rights of the Child as a vital point of reference and expressed concern that its implementation falls short of expectations. She underscored the necessity of establishing a European Observatory on Children’s Rights. Although supported by Commissioner Glenn Micallef, its implementation still requires political pressure and cooperation among European institutions, yet remains achievable. Mieke Schuurman added that strategic litigation against states, such as proceedings against Hungary for restrictions on sexual education and LGBTQI+ rights, can be an effective tool. She also pointed to globally widespread anti-rights narratives that pit children’s rights against parental rights. At the same time, there are positive signals from UN recommendations and support from human rights commissioners that can be built upon. Lea Lochau highlighted the effectiveness of far-right narratives that successfully shift public debates through agenda-setting and target organisations in an effort to secure cultural and political hegemony. She mentioned the example of the Amadeu Antonio Foundation, which faces constraints through parliamentary inquiries by the AfD. Yet she also noted considerable support from democratic parties, which is crucial. Marius Schlageter stressed the need at the European level for structural support for youth organisations, including financial resources, safe working spaces and the promotion of civil society participation to protect young activists.

Finally, the role of children themselves was discussed: they should be actively involved in defending their rights, for example through children’s and youth councils, while also being protected, as they may be influenced by far-right narratives. Overall, the discussion underlined that an effective defence of children’s rights requires a combination of legal instruments, institutional support, a strong civil society and meaningful participation of children. In the audience discussion, concrete challenges from practice were raised, including funding cuts in youth services, dealing with discriminatory statements in educational settings, and the increasing burden on civil society organisations due to far-right campaigns. Participants emphasised the importance of professional expertise, solidarity and clear democratic positioning.

Overall, the event made it clear how destructive the weakening of democratic structures and civil society can be, and which strategies must be pursued to strengthen children’s rights and civil society. These include making solidarity visible, creating counterpublics, and ensuring careful documentation and monitoring of attacks. Safe spaces for young people and engaged civil society actors are essential, and adequate financial support is crucial to their ability to act. The transnational networking and cooperation need to reveal and jointly address the cross-border dynamics of right-wing narratives. The event concluded with an urgent appeal to the attending members of the Bundestag, emphasising the importance of promoting and consistently implementing children’s rights.