In jeder Stadt in Deutschland hängen mittlerweile Wahlplakate. Es ist wieder soweit für eine Wahl. Diesmal für das EU-Parlament. In der heutigen Zeit passiert so viel auf einmal, dass man schnell mal den Überblick verliert und dann kommt da eine Wahl für die EU – ein System, das auf den ersten Blick nicht ganz so leicht zu ergreifen ist. Diese Wahl hat auch etwas besonderes, da das erste Mal in Deutschland alle Menschen ab 16 Jahren wählen dürfen. Das heißt natürlich auch, dass es für die Wahl sehr viele Erstwähler:innen geben wird. Aus diesen Gründen gibt es unseren kurzen Erstwähler:innen-Guide, um dir zu zeigen, was du da eigentlich wählst und welche Einflüsse das im Endeffekt hat.
Aber warum ist diese Wahl so wichtig? Die Europäische Union spielt eine entscheidende Rolle in vielen Aspekten unseres täglichen Lebens, von der Regulierung des Handels und der Umweltschutzgesetze bis hin zur Mobilität der Arbeitskräfte und der Bildungspolitik. Die Personen, die wir in das Europäischen Parlament wählen, treffen Entscheidungen, die Einfluss darauf haben, wie diese Politikbereiche gestaltet werden. Deine Stimme bei der Europawahl gibt dir die Macht, direkt auf diese Entscheidungen Einfluss zu nehmen und da ist es wichtig, Bescheid zu wissen, wie das ganze System eigentlich funktioniert. Auch auf die Kinderrechtssituation in Europa hat die EU signifikante Einflüsse.
Was ist die EU?
Fangen wir zuerst bei der Europäischen Union (kurz: EU) allgemein an. Die EU ist ein sogenannter Staatenverbund bestehend aus 27 Mitgliedsstaaten und 450 Millionen Einwohner:innen. Die EU wurde original geschaffen, um nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden und Sicherheit in Europa zu sichern und hat sich dann durch bestimmte Verträge unter den Mitgliedstaaten weiter zu einem wirtschaftlichen und politischen Zusammenschluss gebildet. Das heißt, die EU hat mittlerweile auch das Recht, bestimmte Gesetze auf EU-Ebene vorzugeben. Diese Gesetze werden von bestimmten Organen angefertigt und beschlossen. Eines dieser Organe ist das Europäische Parlament, welches am 9. Juni bei der EU-Wahl in Deutschland gewählt wird.
Die Organe der EU
Auf EU-Ebene gibt es für die Gesetzgebung drei wichtige Organe: das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Europäischen (Minister-)Räte. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie sich diese Organe zusammenstellen:
Das Europäische Parlament und die EU-Wahl
Das Europäische Parlament wird direkt vom Volk alle 5 Jahre in der Europawahl gewählt. Insgesamt gibt es 705 sogenannte “Member of Parliament” (MeP), also Mitglieder des Europäischen Parlaments. Das Parlament tagt regelmäßig in Straßburg und Brüssel und arbeitet in Ausschüssen und Plenarsitzungen, um über Gesetzesvorschläge zu beraten und sie zu verabschieden. Hier sitzen im Moment sieben verschiedene Fraktionen, die Zusammenschlüsse von politischen Parteien der nationalen Ebene der Mitgliedstaaten sind. Beispielsweise gibt es die “EVP” (Europäische Volkspartei), in der die Deutsche Union und auch Parteien aus anderen Ländern, die ähnliche politische Werte vertreten, sind. In diesem Fall wäre es für Frankreich “les republicans” und für Spanien die “partido popular”. Das EU-Parlament bestätigt mit absoluter Mehrheit die EU-Kommission und verabschiedet von der EU-Kommission vorgeschlagene Gesetze. Um zu erfahren welche Partei welche Werte & Positionen vertritt gibt es die Wahlprogramme: Link zu den Wahlprogrammen
Für die Wahl des EU-Parlaments gibt es beträchtliche Unterschiede zur Bundestagswahl:
- Keine 5% Hürde: Für die Wahl gibt es keine vorher festgelegte Grenze, ab welcher Prozentzahl der Stimmen eine Partei in das Parlament reinkommt und ab welcher Prozentzahl der Stimmen sie nicht in das Parlament eintreten darf. Deswegen werben viele kleinere Parteien auch immer sehr stark für die Europawahl, da hier die Chance besteht, dass sie auch nur mit wenigen Stimmen in das Parlament eintreten dürfen. Bei den letzten Europawahlen lag die Mindeststimmenhürde für Parteien meist bei ca 0,4-0,6 Prozent der Stimmen.
- Degressive Proportionalität: Jeder Mitgliedsstaat hat eine vorgegebene Anzahl von EU-Abgeordneten, welche von seinem Land ins Parlament gesendet werden dürfen/müssen. In Deutschland wären das 96. Hier ist zu beachten, dass die Anzahl der Abgeordneten nicht ideal auf die Anzahl der Bevölkerung angepasst ist, sondern vor allem sicherstellen will, dass jeder Staat repräsentiert ist. Das heißt, dass kleinere Mitgliedsstaaten im EU-Parlament überproportional zur eigenen Bevölkerung repräsentiert sind, während größere Staaten wie Deutschland unterproportional im EU-Parlament repräsentiert sind.
Die Europäischen Kommission und die Kommissionspräsidentin
Bei der Europäischen Kommission ist das etwas anders. Die Kommission gilt als Exekutive der EU. Die/der Kommissionspräsident:in und die dazugehörigen Kommissar:innen, die in der EU-Kommission sitzen, müssen erst von den Regierungen der Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden und dann stimmt das Europäische Parlament darüber ab, ob sie diesen vorgeschlagenen Kommissar:innen zustimmen. In der Regel sollte der oder die Spitzenkandidat:in der “gewinnenden” (größten) Fraktion in der EU als Kommissionspräsident:in vorgeschlagen werden . Dies muss aber nicht zwingend der Fall sein, da das Spitzenkandidat:innenprinzip nicht rechtlich bindend ist und 2019 eigentlich Manfred Weber von der CSU als Spitzenkandidat der EVP die Wahl “gewonnen” hat, aber der Rat sich dann doch dazu entschlossen hat, Ursula von der Leyen anstelle von ihm zu nominieren.
Insgesamt sitzen 27 Kommissar:innen in der Kommission. Jeder repräsentiert seinen Mitgliedstaat. Sie beraten über Gesetzesentwürfe, beschließen den EU-Haushalt (wofür Geld ausgegeben wird), überwachen, dass alle Rechtsvorschriften von und in den Mitgliedstaaten eingehalten werden und reagieren bei Krisen (bsp. Corona Krise => Impfmittelorganisation).
Die Kommissionspräsidentin (im Moment Ursula von der Leyen) leitet die Europäische Kommission. Sie hat das wichtigste Amt in der EU inne und gibt einen Leitfaden vor, wie die Kommission sich ausrichtet, d.h. sie entscheidet, welche Themen sich die Kommission vornehmen soll und welche Prioritäten gesetzt werden. Trotzdem müssen alle Entscheidungen von der gesamten Kommission abgestimmt werden.
Der Europäische Rat
In den vorherigen Abschnitten wurde auch schon das dritte Organ angesprochen, der Europäische Rat. Dieser besteht aus den Regierungschefs der einzelnen Mitgliedstaaten und hängt so nicht aktiv mit der Europawahl zusammen. Hier sitzen dann beispielsweise Emmanuel Macron für Frankreich oder Olaf Scholz für Deutschland. Der Europäische Rat schlägt nach der EU-Wahl dem EU-Parlament die Europäische Kommission vor. Das EU-Parlament muss die Kommissionsliste des Rates mit einer absoluten Mehrheit verabschieden. Obwohl der Rat keine Gesetzesvorschläge selbst machen kann (Aufgabe der Kommission), spielt er eine zentrale Rolle in der EU, indem er die allgemeine politische Richtung und Prioritäten der EU festlegt (Leitfadenkompetenz).
Gesetzesentwürfe
Gesetzesentwürfe können an sich nur von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden. In Ausnahmefällen kann die Kommission von einem Volksbegehren, dem Europäischen Parlament oder einem Ministerrat dazu aufgefordert werden. Über diese Gesetzesvorschläge müssen dann das Europäische Parlament und der Ministerrat, der für den jeweiligen Bereich zuständig ist, abstimmen. Für ein wirtschaftliches Gesetz wäre das dann der Ministerrat der Wirtschaftsminister:innen der einzelnen Regierungen des Mitgliedstaaten.
Es gibt verschiedene Arten von Gesetzen, welche unterschiedliche Wirkungen und Verpflichtungen mit sich bringen, allerdings muss jede Verordnung von den Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten mitentschieden werden (Europäische Räte):
- Richtlinien: Eine Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten ein bestimmtes Ziel vor, das sie innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums umsetzen müssen, indem die Regierung des jeweiligen Landes ein Gesetz auf nationaler Ebene beschließt.Ein gutes Beispiel für eine EU-Richtlinie, die sich auf Umweltbelange konzentriert, ist die Richtlinie über Einwegkunststoffe. Diese Richtlinie zielt darauf ab, die negativen Auswirkungen von bestimmten Kunststoffprodukten auf die Umwelt zu reduzieren. Wie? Indem sie den Einsatz von Einwegplastik wie Tellern, Trinkhalmen und Getränkebechern einschränkt oder sogar untersagt. Auf diese Weise soll die Menge an Kunststoffabfällen verringert werden, die unsere Umwelt belasten können.
- Verordnungen: Diese Form von Gesetz gilt direkt, nachdem sie beschlossen wurde, auf EU-Ebene wie ein normales Gesetz in den Mitgliedstaaten. Diese können allerdings ein Zeitlimit haben, für wie lange sie gelten. Eine einzelne Umsetzung auf nationaler Ebene ist hier also nicht nötig.Als bekannte EU-Verordnung gilt die Verordnung bezüglich Roaminggebühren auf EU-Ebene, welche im Jahr 2022 auslief und daraufhin durch eine weitere zehnjährige Verordnung ersetzt wurde, die ebenso Roaminggebühren in den EU-Staaten für andere Mitglieder auflöst.
- Beschlüsse: Mit Beschlüssen werden einzelne Länder, Firmen oder Personen adressiert, für die der Beschluss exklusiv gilt. Im Jahr 2023 gab es beispielsweise einen Beschluss exklusiv für Kroatien über die Einführung des Euro.
- Empfehlungen: Anders als bei den vorherigen Arten von Rechtsvorschriften sind Empfehlungen nicht bindend für die Mitgliedstaaten (wie der Name schon sagt). Das heißt, sie müssen in keiner Form rechtlich umgesetzt werden, sondern zeigen die Maßnahmen, wie ein hier beschriebenes Ziel umgesetzt werden könnte. Zum Beispiel hatte die Empfehlung der Kommission über interne Schutzmaßnahmen zur Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit und Transparenz des Medieneigentums keine rechtlichen Folgen.
Kinderrechte in der EU
Aktuelle kinderrechtliche Situation in der EU
Die europäische Kinderrechtsorganisation Eurochild gibt regelmäßig Berichte zur Situation der Kinder(rechte) in der EU heraus. Diese Berichte, an denen sich auch die National Coalition beteiligt. sind eine wichtige Gelegenheit, politische Entscheidungsträger:innen auf EU- und nationaler Ebene zu erreichen, um sicherzustellen, dass Investitionen in Kinder von den EU-Institutionen und den nationalen Regierungen als vorrangig eingestuft werden. Sie unterstützen die Arbeit von Eurochild, Kinderarmut und Kinderrechte immer wieder auf die politische Agenda zu setzen. Der letztjährige Bericht, Children’s Rights: Political will or won’t?, der die Sichtweisen von 38 Mitgliedern aus 26 Ländern in ganz Europa zusammenfasste, wird von den politischen Entscheidungsträger:innen in der EU und in den Mitgliedstaaten weiterhin positiv aufgenommen.
Projekt: Child Rights Champions
“Child Rights Champions” ist kein formeller Zusammenschluss oder eine Fraktion im Europäischen Parlament, sondern eher eine informelle Gruppe von Abgeordneten, die sich für die Rechte von Kindern einsetzen. Diese Gruppe kam durch ein Projekt verschiedener Kinderrechtsorganisationen, we zum Beispiel Eurochild, zusammen und kann aus Mitgliedern verschiedener politischer Fraktionen im Parlament bestehen, die sich zusammenfinden, um Kinderschutzthemen zu fördern und politische Maßnahmen zugunsten von Kindern zu unterstützen. Die Mitglieder dieser informellen Gruppe können sich für eine breite Palette von Kinderrechten einsetzen, darunter Bildung, Gesundheit, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung sowie die Förderung von Chancengleichheit für alle Kinder in der EU und weltweit.
Kinderrechtliche Aktivitäten der EU
Seit 2019 hat die Europäische Kommission verschiedene Initiativen und Maßnahmen ergriffen, um den Schutz und die Förderung der Rechte von Kindern in der EU zu stärken:
- Europäische Strategie für die Rechte des Kindes: Die Europäische Kommission hat eine Strategie für die Rechte des Kindes vorgestellt, die auf die Förderung und den Schutz der Rechte aller Kinder in der EU abzielt. Die Strategie konzentriert sich auf fünf Hauptbereiche: Gleichberechtigte Teilhabe von Kindern, Schutz von Kindern vor Gewalt, Förderung des Wohlergehens von Kindern, Kindgerechte Justiz und Beteiligung von Kindern.
- Europäische Garantie für Kinder: Die Europäische Garantie für Kinder ist ein Plan der EU-Kommission, welcher als Empfehlung an die Mitgliedstaaten weitergegeben wurde. Sie soll “jedes Kind in Europa, das von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, entsprechend den grundlegendsten Rechten Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung hat.” Sie bezieht sich vor allem auf eine Grundsicherung bei Bildung, beim Wohnen, bei Ernährung und der Gesundheit.
- Rechtsvorschriften zum Schutz von Kindern im digitalen Raum: Die Kommission hat Vorschläge für neue Rechtsvorschriften vorgelegt, um Kinder besser vor schädlichen Inhalten und Aktivitäten im Internet zu schützen, einschließlich Pornografie, Cybermobbing und Online-Grooming.
Der Wahl-O-Mat
Nun stellt sich natürlich die Frage: Wer steht zur Wahl? Um dabei zu helfen, hat die Bundeszentrale für politische Bildung den Wahl-O-Mat erstellt. Hier kannst man zu 36 politischen Positionen seine Meinung mit den antretenden politischen Parteien vergleichen und dazu auch noch Begründungen lesen, warum welche Partei eine politische Position unterstützt oder warum eben nicht. Der Wahl-O-Mat ist keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik.